Foto: Paul Calbar
Prediger sollen in der Fastenzeit ohne das Wort Gnade auskommen. Lieber selber denken, sagt Kathrin Oxen
Portrait Hanna Lucassen, Redaktion chrismon, Redaktions-Portraits Maerz 2017Lena Uphoff
07.03.2014

chrismon: Sie rufen zum Predigtfasten auf – was verstehen Sie darunter?
Kathrin Oxen: Wir möchten dazu animieren, in den Predigten der Fastenzeit einmal auf große Begriffe wie Barmherzigkeit, Gnade und Buße zu verzichten. Und stattdessen eigene Worte und Bilder zu finden für das, was man ausdrücken will.

Was ist an den Begriffen so schlimm?
Es sind keine schlechten oder falschen, aber zum Teil verknöcherte Begriffe, die inhaltsleer geworden sind. Pfarrer benutzen sie in Predig­ten als Platzhalter, als Codewörter. Das ist für diejenigen, die häufig in die Kirche gehen, langweilig. Und die anderen wissen nicht, was gemeint ist.

Sie haben eine Liste mit 49 Wörtern erstellt, auf die es zu verzichten gilt. Ist auch Gott dabei?
Ja. Und Jesus und Kreuz. Das ist provokant, ich weiß. Aber es geht ja darum, mal etwas zu wagen und sich auch diesen Begriffen wieder neu anzunähern.

Was soll man stattdessen sagen?
Da sind wir eben beim Fastenmotto: ­Selber denken! Viele dieser Begriffe ­haben mehrere Bedeutungsebenen. Wenn ich vom Kreuz rede, was meine ich in dem Zusam­menhang? Das Leiden und Sterben Christi? Die Verbundenheit ­zwischen Himmel und Erde? Die Art der Hinrichtung? Beim Predigen kann ich das benennen und mit eigenen Erfahrungen verbinden. Manches wird auch offen­bleiben. Das macht mich als Person angreifbarer. Ich kann mich hinter dem Begriff nicht mehr verstecken. Aber das ermöglicht auch die echte Begegnung mit der Gemeinde.

Sollten mitfastende Pfarrer ihre Gemeinde vorwarnen?
Sie könnten auch abwarten, was die Zuhörer nach einer solchen Predigt sagen. Fällt diesen gar nichts auf, hat man wohl etwas falsch gemacht – oder schon ­immer alles richtig.

Fasten Sie selbst auch so?
Klar. Ich übe eigentlich schon lange, mit eigenen, auch einfachen Worten zu predigen und lehre das in Seminaren. Aber den Verzicht auf die großen Worte so konsequent durchzuziehen ist auch für mich neu. Manche von diesen werden mir besonders fehlen: Freiheit, Trost und Hoffnung.

Aber am Ostersonntag dürfen Sie ja wieder in die Vollen greifen!
Wahrscheinlich werden wir diese  Worte so sorgsam in den Mund nehmen wie den ersten Apfel nach dem Heilfasten. Und sie auf der Zunge zergehen lassen. Mal sehen, wie sie dann schmecken.

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