Dirk von Nayhauß
"Am Abend musst du in den Spiegel schauen können"
Schauspielerin Uschi Glas spricht im Interview Schuldgefühle und die Angst vor dem Tod.
Dirk von Nayhauß
26.10.2014

Hat das Leben einen Sinn?
Ich gehe davon aus, dass das Leben nicht mit der Geburt beginnt und nicht mit dem Tod endet. Meine Energie, mein Geist waren schon einmal da, und wenn ich von dieser Erde gehe, dann wird etwas erhalten bleiben. Ich glaube, dass ich eins der Millionen Rädchen bin, die irgendwo hingestellt werden, um etwas zu tun, um für irgendetwas da zu sein. Ich glaube nicht, dass es gleichgültig ist, wie du dich auf dieser Erde verhältst. Ich glaube, dass es sozusagen eine Rechnung gibt. Den Sinn meines Lebens kann ich auch spüren, wenn ich für mein „brotZeit“-Projekt eine Grundschule besuche. Deutschlandweit bekommen von uns jeden Morgen 5000 Kinder in ihrer Schule ein Frühstück. Diese Kinder finden zu Hause nichts zu essen im Kühlschrank, müssen morgens allein aufstehen und sich allein anziehen. Zwei Schulleiterinnen haben mir unabhängig voneinander berichtet, dass seit unseren Besuchen die Aggression an ihren Schulen eklatant gesunken ist. Auch die über 800 Senioren, die das Frühstück austeilen und den Kindern bei den Hausaufgaben helfen, haben viel davon, weil sie gebraucht und dafür auch entlohnt werden.

Haben Sie eine Vorstellung von Gott?
Gott ist ungreifbar, nicht darstellbar. Die Natur und ihre Energie – das ist für mich Gott. Schon der Blick aus dem Fenster ins Grüne, das hat für mich etwas Göttliches. Wie sollte es also sein, wenn es keine Kraft, keine Energie gibt? Diese Vielfalt, die große Fantasie, die Schönheit, das bunte Gefieder von Vögeln – woher stammt das, weshalb ist es so schön? Es könnte ja auch alles einfacher gestaltet sein. In schwierigen Situationen gehe ich mit Gott in einen stillen Dialog: Was mache ich nun? Letztlich ist das eine Auseinandersetzung mit dem tiefsten Ich. Aber ich biete ihm nichts an, das fände ich unmöglich, denn mit Gott kannst du nicht handeln. Du musst mit dir ins Gebet gehen, den Dialog mit Gott führen, aber du darfst keinen Handel machen. Du bist immer auch selbst verantwortlich.

Muss man den Tod fürchten?
Die große Frage ist: Wie möchte ich sterben? Wünsche ich mir einen schnellen Tod – oder möchte ich mich verabschieden können? Ich möchte lieber adieu sagen. Als ich vor 20 Jahren zum ersten Mal in ein Hospiz gegangen bin, habe ich vorher überlegt, was ich da bloß anziehe, schwarz oder bunt, und wie schaut man da – traurig oder nicht? Als ich an der Tür stand, wurde ich fröhlich begrüßt, und eine solche Stimmung habe ich häufig in Hospizen erlebt. Wenn Menschen anerkennen, dass sie sterben müssen, macht das die Minuten, die Stunden, die Tage, die bleiben, wertvoll. Dann hört das Hadern auf. Die Sterbenden wollen keine falschen Versprechen hören: Morgen ist es wieder gut. Denn es wird nicht wieder gut. Man kann das Ende zwar schmerzfrei erleben, aber du wirst nicht mehr gesund rausgehen. Auch ich denke mittlerweile fast jeden Tag an den Tod, doch nicht voller Angst! Der Gedanke an den Tod hilft mir, das Leben zu schätzen und es bewusst zu leben.

Welche Liebe macht Sie glücklich?
In einer guten Beziehung packt man das Leben gemeinsam an. Ich kenne Verbindungen, wo einer gar nicht mehr aufmuckt, weil er sagt: Dann habe ich zu Hause meinen Frieden. Grauenvoll! Irgendwann bricht der Vulkan aus, dann kracht es. Ich habe das Glück, eine große Liebe gefunden zu haben. Wenn ich nach ­Hause komme, kehre ich zurück auf meine Insel und brauche nicht gleich wieder auszugehen. Wir sind allein zu Hause und können die Sachen genießen, die wir machen möchten. Das empfinde ich als ein tiefes Gefühl der Geborgenheit.

Wie gehen Sie mit Schuldgefühlen um?
Wenn ich denke, dass ich etwas nicht richtig gemacht habe, dann beiße ich in den sauren Apfel und versuche, das aufzuarbeiten. Mein Vater hat immer gesagt: „Uschi, überleg’ dir, am Abend musst du in den Spiegel schauen können.“ Das ist so simpel. Als Gegenkontrolle frage ich mich gelegentlich: Möchtest du dir selbst am Tisch gegenübersitzen? Oder: Möchtest du gern deine eigene Maskenbildnerin sein? Dann weißt du sehr schnell, wie du dich benehmen musst, um dich später nicht mit Schuldgefühlen ­herumschlagen zu müssen. So bin ich auch dem Verführungsteufel des Größenwahns begegnet. Ich hatte sehr früh enormen Erfolg, und damals dachte ich auch mal, ich könnte mir alles erlauben. Aber ich habe bald erkannt, dass man besser jedem so gegenübertritt, wie man selbst behandelt werden möchte.
 

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