Michael Ondruch
„Herr, segne diese Gaben“
Oder das Brot, ein Auto, ein Haus? Durch ein Gebet empfehlen Menschen sie der Aufmerksamkeit Gottes
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
15.08.2014

Zwei Professoren der Religions­wissenschaft, seinerzeit an der Universität Köln aktiv, sind zu Besuch in Hamburg. Sie stellen ihr neues Buch über den Glauben im Alltag vor und erzählen begeistert von Erkenntnissen, die sie als evangelische Christen am stark katholisch geprägten Mittelrhein gewonnen haben. „Wissen Sie was“, sagt der eine, „im Rheinland gibt es sogar Menschen, die ein Brot segnen, bevor sie es anschneiden.“ Einige Zuhörer stutzen. „Ja, so kenne ich das von meinen Eltern“, sagt ein junger Mann, „und ich mache es auch oft so.“ Andere nicken. In den Gesichtern der beiden Professoren zeigt sich freundliche Nachsicht, gepaart mit Staunen. „Ach ja, warum auch nicht?“, sagt der eine.

Nach verbreiteter Auffassung segnen Protestanten ausschließlich Menschen, Katholiken darüber hinaus auch allerlei Dinge. Das ist nicht ganz korrekt. Denn bereits beim Tischgebet beten beide Konfessionen unterschiedslos: „Herr, segne diese Gaben...“ Aber geht es um Häuser, neue Autos, Fabriken, Altenheime, Feld, Wald und Flur – holen die Katholiken eindeutig weiter aus und anempfehlen alles der Fürsorge Gottes. Nicht selten besprengen katholische Pfarrer Menschen und Gegenstände dabei auch mit Weihwasser. Bei den evangelischen liegt die ganze Aufmerksamkeit auf der Geste des Kreuzzeichens.

Die Mutter segnet ihr Kind - der Liebende segnet seine Geliebte - segnen darf jeder, allerdings hat die Kirche eine spezielle Praxis entwickelt. Pastor Henning Kiene von der EKD spricht über den Segen und seinen Sinn


Trotz unterschiedlicher Symbolik ist nämlich der Sinn des Segens über die Konfessionsgrenzen hinweg gleich: Nicht die unmittelbar Handelnden – also Pfarrerinnen und Pfarrer im Gottesdienst, Eltern und Kinder beim Tischgebet – stehen im Zentrum des Geschehens. Sie segnen nicht aus eigener Vollmacht, sondern sie bitten um den Segen Gottes: „Es segne und behüte euch Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.“ Das Segensgebet ist keine Beschwörung und kein magisches Ritual. Es werden keine geheimen Kräfte übertragen, keine Abwehrzauber freigesetzt, sondern Mensch und Welt werden Gott anvertraut.

Es muss deshalb auch keine große, noch weniger eine theatralische Inszenie­rung stattfinden. Da es nicht um Zauber und Magie geht, sondern darum, das Leben reli­giös zu deuten, kann die Geste bescheiden sein. Schon Worte wie „Ade“ und „Adieu“ signalisieren: Ich empfehle dich Gottes Schutz an. Ein katholischer Brauch ist
es, zu Dreikönig mit Kreide auf den Türsturz des Hauseingangs schreiben zu ­lassen: C+M+B, volkstümlich übersetzt mit Caspar, Melchior und Balthasar, den Namen der drei Könige, die den neuge­borenen ­Jesus besuchten. In Wirklichkeit bedeutet es „Christus mansionem bene­dicat – Chris­tus segne dieses Haus“.

„Gott segne dieses Haus und alle, die da gehen ein und aus.“

Eltern zeichnen ihren Kindern ein Kreuz auf die Stirn, wenn sie das Haus verlassen, um zur Schule zu gehen oder mit Freunden einen Ausflug zu machen. In der evangelischen Kirche ist der Reisesegen wiederentdeckt worden. Zu Beginn der Urlaubssaison stellen Kirchengemeinden die Reisenden unter den Schutz Gottes – besser gesagt: sie bitten diesen darum.

Eine ganz besondere Bedeutung hat der Segen bei Taufe, Konfirmation oder Trauung. Er bittet um göttlichen Beistand für eine neue Lebensetappe. Auch hier gilt: Nicht die Geistlichen sind die Herren des Geschehens, sondern der, um dessen Zuwendung sie bitten. Deshalb hat es mit Recht immer wieder zu heftigen Debatten geführt, wenn Kirchenvertreter meinten, Gottes Zuwendung für homosexuelle Paare blockieren zu dürfen, indem sie den Segen verweigerten. Da hatten moralische Ordnungsvorstellungen mehr Gewicht als die unzweifelhafte Zusage Gottes, seine Gnade jedem zuteil werden zu lassen, der sich danach sehnt.

Im Fachwerk alter Bauernhöfe sind oft – auch im evangelischen Norddeutschland – Worte wie diese eingeschnitzt: „Gott segne dieses Haus und alle, die da gehen ein und aus.“ Besser kann man kaum ausdrücken, dass der Segen, der auf einem Gegenstand liegt, vor allem für die Menschen bestimmt ist, die dort leben. Es ist wie beim Tischgebet: Es soll den Menschen, die da zusammensitzen, zugute kommen.

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Meine Zuschrift bezieht sich nur auf den Printtext. --- ZITAT " Sie segnen nicht aus eigener Vollmacht, sondern sie bitten um den Segen Gottes. " Meine Meinung: Sind Kinder Gottes weniger als "ihre Eltern"? Sind ihre Kinder weniger als Sie? --- ZITAT " Das Segensgebet ist keine Beschwörung und kein magisches Ritual." Meine Meinung: Sind Sie da ganz sicher? Der Segen als Prinzip ist doch eine spezielle Beziehungskommunikation und nicht "nötig", da ALLES von Gott/in IMMER und alle Zeit gesegnet ist (also schon vor "Erfindung des Segens"). Wer segnet, will doch in einem speziellen Fall/Umstand "mehr Segen" erreichen. Menschlich verständlich, doch unnötig. Gott liebt alles und alle immer UNbedingt (Es ist Seine/Ihre persönliche Schöpfung - also ist sie wie Gott/in selbst: allvollkommen, selbst wenn wir es nicht so sehen - oder lieben Sie Ihre Schöpfungen nicht? Dann liegt es an Ihrer Schöpfungs-Kompetenz, nicht am Geschöpften) und bedarf nicht unserer Handlungshinweise. Gott ist nicht dement oder orientierungslos bezüglich Seiner/Ihrer Aktivität.--- Leider nicht erwähnt: Segen (unsere spirituelle positive Fokussierung) "brauchen" vor allem destruktive Situationen um diese bewusst zur Heilung zu führen. Doch dazu hält leider kein Pfarrer/in an: "Gott, segne diesen Familienstreit". Leider.

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