Dirk von Nayhauß
"Zu wachsen ist etwas Schönes"
Dirk von Nayhauß
21.06.2013

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Wenn ich in der Natur bin, am Meer oder tief im Wald. Den Urlaub verbringen wir oft an der Nordsee: Durch die Dünen laufen, am Strand entlang, und dann der Wind – da fühle ich mich vollkommen unbelastet. Das ist ein Gefühl des Aufgehobenseins. 

Hat das Leben einen Sinn?

Diese Frage habe ich mir oft gestellt. Irgendwann kam ich zu dem Schluss: Das Leben zu leben – das ist der Sinn. Dazu gehört auch, immer wieder zu überlegen, wie man weitermachen will. Ich finde, man muss sich immer wieder fragen: Bin ich noch auf dem richtigen Weg? Wo will ich hin? Das kann ziemlich anstrengend sein. Ich weiß noch genau, als ich dreißig wurde, habe ich gedacht: Jetzt muss ich nicht mehr über den Sinn des Lebens philo-sophieren und nicht mehr meine Kindheit aufarbeiten und was weiß ich. Doch das hört nie auf. Will man sich weiterentwickeln, muss man sich immer wieder hinterfragen, sich Gefühlen stellen. Zu wachsen ist etwas Schönes, selbst wenn man erwachsen ist.

An welchen Gott glauben Sie?

Ich hatte schon als Kind ein tiefes Gottvertrauen. Wenn etwas nicht so war, wie ich dachte, dass es sein müsste, habe ich irgendwann aufgehört, herumzunölen. Dann habe ich abends im Bett gesagt: Lieber Gott, wenn du willst, dass das so ist, dann muss etwas dran sein. Ansonsten: richte es bitte – und so konnte ich total gut schlafen. Dieses Gottvertrauen ist geblieben. Ich habe nie an diesen strafenden Gott geglaubt, sondern immer an den stärkenden. Ich glaube auch an den Gott, der sagt: Wenn zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen. Das muss nicht in der Kirche sein oder im Gottesdienst. Gehadert habe ich nie mit Gott, eher mit der katholischen Kirche. Die konzentriert sich manchmal zu stark auf die Institution, anstatt draußen bei den Menschen zu sein. Und natürlich ihr Verhältnis zu Frauen, damit habe ich immer wieder Probleme.

Was haben Sie durch Ihre Krankheit gelernt?

Nicht aufgeben. Gottvertrauen. Wie es ist, wenn man plötzlich einer Minderheit angehört – und das war erst einmal nicht gut. Als vor bald 20 Jahren die Diagnose multiple Sklerose kam, habe ich gedacht: Wieso eigentlich ich? Aber das hat nicht lange angehalten, dafür ist meine Lebenseinstellung eine zu positive. In schwierigen Lebensphasen darf man nicht den Mut verlieren. Das klingt hart, und das ist manchmal mühsam, aber ich bin fest davon überzeugt: Das Leben mutet mir nichts zu, was ich nicht bewältigen kann. Ich habe gelernt, Abschied zu nehmen. Bei mir wurde es mühsamer mit dem Laufen. Jetzt ist es schon lange nicht mehr schlechter geworden, aber irgendwann konnte ich eben nicht mehr im Wald spazieren gehen oder auf einen Berg steigen. Schließlich war es eine Befreiung, einen Rollstuhl zu benutzen und damit Mobilität zurückzugewinnen. Ich habe gelernt – und das kann ich auf alle persönlich erlebten Abschiede be­ziehen, egal, ob es mit der MS zu tun hat, ob mit Trennungen oder mit dem Tod meines Vaters: Ich muss Abschiede rituali­sieren, ich muss mich diesen Gefühlen stellen. Dann merke ich irgendwann, dass es besser wird.

Muss man den Tod fürchten?

Für mich ist es das Allerwichtigste, das Leben richtig gelebt zu haben, dann kann ich auch gut sterben, ohne Angst und ohne Reue. Im Moment fällt mir nichts ein, was ich wirklich bereuen würde. Ich finde es ein bisschen komisch, aber wenn besondere Entscheidungen anstehen wie: Entscheide ich mich für das Amt der Ministerpräsidentin?, oder: Heirate ich diesen Mann? – dann überlege ich mir: Stell dir vor, du würdest in ein paar Jahren sterben, hast du dann alles so gemacht, wie du das willst? Wenn es soweit sein sollte, dann wünschte ich mir, nicht einfach zu sterben. Ich habe das ganz große Bedürfnis, mein Leben abzuschließen, mich zu verabschieden. Das hängt bestimmt damit zusammen, dass mein Vater aus heiterem Himmel gestorben ist. Das war furchtbar. Nicht nur, dass er gestorben ist, sondern dass ich keine Möglichkeit hatte, mich von ihm zu verabschieden. 

Welche Liebe macht Sie glücklich?

Die meines Mannes. Und meine Liebe zu meinem Mann. Bei ihm habe ich das Gefühl: Wir gehören einfach zusammen, wir sind seelenverwandt. Ich bin unheimlich glücklich darüber. Das ist ein großes Glück. Das ist ein Gefühl, als sei ich endlich angekommen.

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Das liebe ich so an evangelisch: die nähe zu den großen, oben und unten, in gott vereint. aber dass die großen auch wachsen dürfen, war mir bisher gar nicht bewusst ! ob sie aber wissen, dass sie hier nur noch verramscht werden ??? das glaube ich kaum .

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