War Maria eine Jungfrau?
Je strahlender Maria dargestellt wird, desto mehr gerät ihr menschliches Wesen in Vergessenheit.
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
07.08.2013

Ja, die Mutter Jesu war eine Jungfrau. Dies schrieb die amerikanische Theologin Jane Schaberg Ende der Achtzigerjahre. Nicht unbedingt in dem Sinn, wie es viele Christen gerne hätten. Bis sie schwanger wurde, sei Maria Jungfrau gewesen, ein junges Mädchen von vielleicht zwölf Jahren, ledig, unfreiwillig schwanger, erniedrigt, vielleicht sogar vergewaltigt.

Eine provokante Deutung der jungfräulichen Empfängnis ist dies – zumal für eine katholische Theologieprofessorin. Für ihre Auslegung bekam sie haufenweise Hassbriefe. Ihre Kollegen an der Universität in Detroit machten fortan einen weiten Bogen um sie. Der damalige Erzbischof Adam Joseph Maida, inzwischen Kardinal, verteilte einen Hirtenbrief gegen Schabergs Lesart der Jungfrauengeburt. Aufgebrachte Katholiken setzten ihr Auto in Brand.

Die Mutter Gottes – vergewaltigt? Total abwegig, urteilten die meisten Theologen. Sowohl diejenigen, die die Jungfrauengeburt für eine historische Tatsache halten, als auch die anderen, die in Marias Jungfräulichkeit lediglich ein Symbol sehen. Sie alle vertraten die Auffassung, Maria sei – zumindest in der Vorstellung der biblischen Autoren – auch als Schwangere Jungfrau geblieben.

Ob ihre Deutung wirklich so abwegig sei, fragte die Feministin Schaberg zurück. Sie forderte die Theologen auf, einen neuen Blick auf die biblischen Weihnachts- geschichten aus dem ersten Jahrhundert nach Christus zu werfen. Einen Blick, der nicht von den Glaubenslehren späterer Jahrhunderte verstellt sei. Schon der Prophet Jesaja (7,14) spreche in Wahrheit von einem Mädchen (hebräisch: Alma), wenn er laut deutscher Übersetzung sagt: „Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären.“ Worte, die bis heute in Weihnachtsgottesdiensten verlesen werden.

Auch dass der Evangelist Matthäus betone, Maria habe ihr Kind vom Heiligen Geist empfangen (Matthäus 1,18), sei kein Argument gegen ihre Deutung, so Schaberg. Denn gleichzeitig räume er Jesus einen Platz im Stammbaum seines Vaters Josef ein (Matthäus 1,16). Matthäus halte es letztlich offen, ob Jesus ausschließlich einen göttlichen oder außerdem auch einen leiblichen Vater gehabt habe.

Die Bibel betont immer wieder, wie Gott die geringe Maria erhebt

War Maria eine Jungfrau? Ja. Zu Recht hat die Alte Kirche in sämtliche Glaubensbekenntnisse hineingeschrieben: „Ich glaube an Jesus Christus, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria.“ Dabei ging es den biblischen Schriftstellern gar nicht bloß um das Wunder der Biologie. Mindestens ebenso wichtig war für sie, dass Gott eine gedemütigte Frau zu höchsten Ehren erhebt.

Immer wieder betont die Bibel, wie gering die Mutter Jesu gewesen sei. „Er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen“, singt Maria in ihrem Lobgesang, als sie erfährt, dass sie den Heiland gebären soll (Lukas 1,48). Erst im griechischen Urtext sieht man, wie krass diese Worte gemeint sind: „Doule“ steht dort für „Magd“, genauer übersetzt: „Sklavin“. Feministische Theologinnen betonen außerdem, das griechische Wort für „Niedrigkeit“ sei gleichbedeutend mit „Erniedrigung“: ein Attribut, das sonst häufig in Zusammenhang mit sexueller Gewalt gegen Frauen stehe.

Tatsächlich haben Bibelausleger der ersten nachchristlichen Jahrhunderte beide Deutungen der Jungfrauengeburt vertreten. Die einen betonten das Wunder der Jungfräulichkeit Marias auch nach der Empfängnis. Die anderen sahen in ihr eine gedemütigte Frau, die vielleicht auf ähnliche Weise Opfer sexueller Gewalt war wie viele andere Frauen auch.

Im Laufe der Geschichte veränderte sich der Blick auf Maria. Je reiner, strahlender und himmlischer sie erschien, desto mehr geriet ihr allzu menschliches Wesen in Vergessenheit. Aus der erniedrigten wurde die reine Magd, aus dem Mädchen die Himmelsgöttin. Vor allem Reformtheologen wie Martin Luther wiesen weiterhin auf die Niedrigkeit der Mutter Jesu hin.

Maria war eine Jungfrau, ein vielleicht zwölfjähriges Mädchen, das ungewollt schwanger wurde. Ob man die Jungfräulichkeit Marias darüber hinaus auch als biologisches Wunder deutet, bleibt jedem überlassen. Für den christlichen Glauben ist das nicht entscheidend wichtig.

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„Ich glaube an Jesus Christus *** geboren von der Jungfrau Maria.“ Das ist unter anderem der christliche Glaube. Im Gottesdienst - vor Gott und vor den Menschen - wird dies gesprochen, dazu wird aufgestanden. Wer das nicht glaubt hat gelogen.

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Da hat man geglaubt, der Glaube ist schon so schwierig genug und dann kommt sowas.

Versetzen Sie sich da mal in ein kleines Kind, in einen unbedarften Jugendlichen, in einen 2000 Jahre alten Germanen oder gar in einen Andersgläubigen oder gar in einen Muslim. Was würde die wohl alle zu einem solchen Verhau an Ungereimtheiten sagen? Göttliche Klarheit soll das sein? Kann die dargebotenen wilde Mischung aus Historie, mittelalterlichem Wirrwar und neuester Verzwirbelung von Inhalten nur noch eine Spur von Glaubwürdigkeit haben? Das ganze Denk- und Glaubensgebäude ist dermassen konfus, dass es nicht umsonst zur Sprachlosigkeit der nicht Eingeweihten führt. Es ist doch vollkommen egal, ob Maria vorher oder nachher Jungfrau war. Wenn jemand auf die Welt kommen soll, dann muß er nach alter Vorstellung zwangsläufig geboren werden. Und die alte Vorstellung war unbedingt notwendig, weil eine andere Begründung schlicht nicht vermittelbar war. Allein die angebliche Dreieinigkeit ist ein Konstrukt, wie es doch eigentlich nur Menschen einfallen kann, die mit einem Wirrwar, den sie nur selbst zu verstehen vorgeben, alle Anderen unter ihre Knute des Glaubens oder der Macht zwingen wollen. Mit göttlicher Klarheit hat doch dieser Glaubensinhalt nun wahrlich nichts zu tun. Der persönliche Glaube (wir können nicht den Gipfel der Vollkommenheit erklimmen) ist schon schwierig genug, da muß man nicht noch mehr Benzin ins vernichtende Feuer giessen.

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Der Artikel zeigt unsere menschlichen Schwierigkeiten auf, nämlich einfach zu akzeptieren, dass Gott über der Schöpfung ist und nicht den Naturgesetzen unterworfen ist. Er hat sie geschaffen. Er hat die Welt aus dem Nichts geschaffen. Wenn wir anfangen Gottes Wirken nur soweit zu akzeptieren wie wir es erklären können, dann begrenzen wir Gott und auch das Wort Gottes - die biblischen Aussagen. Deshalb liest man dann: Es ist ja gar nicht so wichtig.
Das hörte ich mal bei einem katholischen Glaubenskurs in Wien: Es ist ja nicht so wichtig, ob Jesus wirklich auf dem Wasser gegangen ist. Wie soll man das verstehen? Ist es dann auch nicht so wirklich wichtig, ob Jesus auferstanden ist? Was ist dann wichtig? Wahrscheinlich das, was ich erklären kann. Mit freundlichen Grüßen, Peter Zaiser

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Allgemein bekannt ist, das es damals ein schlichter und einfacher Übersetzungsfehler ist. So wurde bei der Übersetzung ins griechische aus einer "jungen Frau" eine Jungfrau. Ebenso nachweislich gab es im aramäischen kein Wort, welches eine analoge Bedeutung einer Jungfrau hätte.

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Transparenz ist außerordentlich wichtig beim Vortragen und Besprechen von Bibeltexten. Es glauben schließlich eine Menge Personen daran. Einige lassen sich sogar den fundamentalistischen und/oder kreationistischen Spektren hinzuzählen. Besonders als Professional sollte man sich seiner Verantwortung und damit Macht bewusst sein! Die Figur Maria lässt Leute zum vermeintlichen Ideal der Sexlosigkeit aufschauen, aber in einer Art, als ob sexuelle Handlungen und der selbstbestimmte Umgang mit dem eigenen Körper nur Männern nicht/weniger zum (moralischen) Verhängnis werden können. Die zahlreichen Nachkommen einiger zentraler Figuren im AT infolge von Intercourse wiederum werden gefeiert.
Man könnte doch die Urtexte (auch wenn man es 1000x im Studium gemacht hat) nochmals zur Hand nehmen und fairerweise diese tatsächlich in aufklärender Manier zeigen und hands-on wörtlich übersetzen, bevor man Exegese betreibt. Ist man dies den Leuten nicht schuldig? Gerade bei zentralen Texten, die vorgetragen werden, wenn das Kirchenschiff bummvoll ist? Auch weil die Kirche in der Vergangenheit zum Nachteil einer ganzen Bevölkerungsgruppe ausgelegt und Dogmatismen geschaffen hat!
Wie fühlt man sich als Mann, wenn von x Nachfahren von Person Y die Rede ist? Wie fühlt es sich wiederum als Frau an, von einer Schwangerschaft zu lesen, der kein vaginalpenetrativer Sex mit Befruchtung der Eizelle vorausging?
Ich höre schon die Boooo-Rufe. Es handele sich doch um die Geburt des Messias, werden sie sagen. Nach dieser Logik hätten die Autoren dann auch die Schwangerschaft und das Austragen des Kindes outsourcen können. „Bei Gott ist alles möglich.“ Ich verstehe sehr wohl, dass in religiösen Texten wunderbare Phänomene beschrieben werden, um deren Wichtigkeit hervorzuheben.
Aber wenn 1. im Urtext nicht steht, was wir heute meinen, das dort steht, 2. durch derartige Fehler semantische Irrtümer wie Jungfräulichkeit und falsche Annahmen zur Existenz eines vermeintlich membranartigen sogenannten Jungfernhäutchens und damit wiederum Mythen wie die sexuelle Unversehrtheit einer Frau (bei Männern käme man nie auf diese Idee) entstehen und 3. über Jahrhunderte die Frauen somit kleingehalten werden (und ja, das wurden und werden sie, nämlich wenn sie denen vertrauen, die Dogmen schaffen und nähren), dann ist es sehr wohl wichtig, was ursprünglich geschrieben wurde und wie die Haltung der Professionals dazu und zu verschiedenen Auslegungen ist.
Es wundert mich nicht, dass so viele Frauen in meinem Umfeld aus der Kirche austreten. Ihnen fehlen Transparenz, Augenhöhe und Haltung.

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Maria war eine Tempeljungfrau die den Pentateuch sowie die Psalmen und weitere Bücher des alten Testaments vorwärts wie rückwärts auswendig kannte. Sie war sich zur Zeit als sie vom Engel angesprochen wurde ihrer ihr zugesprochenen Aufgabe bewußt. Tempeljungfrau war sie deshalb, weil auch sie Nachfahrin aus dem Stamme Davids war und im Judentum die Zeit der Erwartung des Messias erfüllt war.

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