Toshifumi Kitamura/AFP/Getty Images
Für manche Deutsche ist Japan noch immer das "verstrahlte Land". Auslandspfarrerin Gabriele Zieme-Diedrich ärgert das.

Im Sommer machte ich zum ersten Mal seit meiner Ausreise nach Japan Heimat­urlaub. Als ich Freunden und Familie begegnete, fragte ich nicht selten zum Abschied: „Und wann kommt Ihr uns in Tokyo besuchen?“ Oft hörte ich zu meiner Freude, dass schon Reisepläne geschmiedet werden. Gute Freunde von mir antworteteten allerdings spontan: „Na, gar nicht! Wir wollen nicht verstrahlt werden, und das Trinkwasser ist ja radioaktiv verseucht.“ Ich war sprachlos und verwirrt. „Na, dann nicht!“, dachte ich und merkte, wie sehr ich mich darüber ärgerte.

Seit einem Jahr leben mein Mann und ich in Japan. Ja, es gibt auch nach der Dreifachkatastrophe im März 2011 Deutsche, die hier leben und arbeiten. Die meisten, mit denen ich darüber sprach, lieben dieses Land und seine Menschen. Ich kann das nachvollziehen – mir geht es genauso.


Ich persönlich vertraue den Institu­tionen, die sich hier um unsere Sicherheit kümmern. Der TÜV Rheinland beispielsweise prüft regelmäßig Radioaktivität von Luft, Wasser und Boden und hat im Großraum Tokio derzeit keine bedenklichen Werte festgestellt. Richtig ist aber, dass es im havarierten Atomreaktor Fukushima immer wieder zu sogenannten „Zwischenfällen“ kommt. Die japanische Regierung hat daher in letzter Zeit die Atomwarnstufen mehrfach angehoben. Offiziell bestätigt wurde auch, dass die Zahl der Krebserkrankungen von Kindern aus der Region Fukushima steigt. Das ist besorgniserregend. Auch in der Präfektur Iwate, weiter  nördlich, wo wir als Gemeinde einige Kontakte haben, ist die Katastrophe gegenwärtig. Bei einem Besuch im Februar sah ich, dass schon kräftig aufgeräumt worden war. An vielen Stellen aber konnte man nur erahnen, was sich dort einst befand: Wohnhäuser, Straßen, Schulen. Ganze Dörfer sind vollkommen und auf Dauer zerstört. Ein Video mit Originalaufnahmen des Tsunamis und der damit verbundenen Verwüstung berührte mich besonders.

Und dennoch: Steht all dies einem Besuch in Tokio tatsächlich entgegen? Vielleicht noch vor den Olympischen Spielen 2020? Ich finde nicht.

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