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Bekenntnis und Gelächter
Schallendes Gelächter war unter Christen lange verpönt. Schon die Autoren der Bibel taten sich schwer mit der Heiterkeit. Aber die Zeiten ändern sich.
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
07.02.2013

Es gibt nichts Menschlicheres als das Lachen. Diese Auskunft des griechischen Philosophen Aristoteles hat uns nicht nur einen herrlichen Sinnspruch, sondern indirekt Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“ und dessen Verfilmung eingebracht. Darin suchten fanatische Ordensleute mit allen Mitteln das verloren geglaubte Buch des Aristoteles über die Komödie zu verbergen. Ihr Argument: „Lachen tötet die Furcht, und wenn es keine Furcht gibt, wird es keinen Glauben mehr geben.“ Wenn über alles gelacht wird, dann eines Tages auch über Gott? Aristoteles hat der Kirche mit seiner Freude am Lachen und an der Komödie im Mittelalter viel Verdruss bereitet und den Mönchen große Angst gemacht.

Das Lachen: die Ursünde des Menschen? Noch heute halten sich evangelikale Christen und katholische Ordensleute von Mummenschanz und Karneval fern. Eine Maske aufzusetzen ist ihnen theologisch nicht geheuer, denn sie nähme ihnen die „Ebenbildlichkeit“ mit Gott. Sicherlich: Lachen kann nicht nur freudig, verspielt und heilsam sein, sondern ebenso hämisch, verzweifelt, zynisch. Es kann also befreien und andere Menschen herabsetzen, wie der Tübinger Theologe Karl-Josef Kuschel (1994) schreibt. Das Lachen kann auch makaber sein (das Wort kommt von den makkabäischen Brüdern in der Bibel, die den Märtyrertod starben), das heißt grausig, bedrückend, tödlich. Adolf Hitler soll den Leitern des Nazi-Freizeitwerkes „Kraft durch Freude“ den zynischen Auftrag gegeben haben: „Sorgen Sie mir dafür, dass das deutsche Volk wieder lachen lernt!“ Einige Lehrer der Alten Kirche behaupteten, Lachen störe das Gleichgewicht der Seele. Sie klagten: Ungezügeltes Lachen zeige fehlende Gottesfurcht. In den Klöstern störe es zusätzlich das behutsame Leben in der Stille. Als Ausweis von Demut galt es deshalb, nicht leicht und rasch in Lachen auszubrechen. Dagegen gab es Kirchenstrafen: drei Tage Exkommunikation für Lachen während des Chorgebets, außerordentliches Fasten nach einem Lachausbruch.

Ein christliches Leben im Glauben erlaubte keine wilden Späße. Viel eher wurden Christen und Kirchen selbst zum Opfer von Häme und Spott. Von Anfang an machten Mitmenschen sie zu Witzfiguren. Die standen damit in bester Tradition: Das Neue Testament berichtet zwar überhaupt nichts darüber, dass Jesus einmal gelacht hätte, häufig aber darüber, dass er selbst verlacht wurde. Ein vielsagendes Beispiel: Jesus sagt über die tote Tochter des Jaïrus, sie schlafe nur, prompt zieht er das spöttische Gelächter der Leute auf sich (Markus 5,35 – 40). Jesus ein tumber Tor Gottes. Selbst am Ende der Jesus-Geschichte steht das Bild des verlachten Narren. Die Henker Jesu auf dem Berg Golgatha üben sich in Häme: „Wenn du der Sohn Gottes bist, so steige vom Kreuz herab!“ (Matthäus 27,40) In keinem vergleichbaren Text der großen Religionen, so hat Karl-Josef Kuschel herausgefunden, gibt es eine ähnliche Verknüpfung von Glaube und Häme, von Bekenntnis und Gelächter. In keiner Religion stehen also das Erschütternde und das Hämische, das Erhabenste und das Lächerlichste so nah beieinander wie im Christentum. Es ist eines der gravierendsten Kennzeichen der Passionsgeschichte Jesu. Mit einer gewissen Berechtigung darf man sagen: Theologen und Gläubige befinden sich insgesamt in der Rolle des Narren (Eberhard Jüngel).

Deshalb lachten im Mittelalter Christen in der Osternacht, nicht verhalten, sondern lauthals. Das „Osterlachen“ war jahrhundertelang schöner Brauch in den christlichen Kirchen des deutschen Sprachraums. Prediger entlockten dem Kirchenvolk – teilweise mithilfe obszöner Pantomimen und zweideutiger Geschichten – eine Lachsalve nach der anderen. Die Wurzel ihres Spaßes: Gottes Sieg über den Tod. Spaßmacher haben es heute in den Kirchen schwerer. Ihnen fehlt
letztlich die biblische Verweisstelle. Es fiele den Christen sehr viel leichter, an einen freien, lebenslustigen Gott zu glauben, wenn sie ihn in der Bibel als Lachenden entdecken könnten. Doch da herrschen strenge Sitten. Wenn Gott schon einmal lacht, dann aus Spott über Ungläubige, kriegslüsterne Völker (Psalm 2,4) oder rücksichtslose Egoisten (Psalm 37,13). Die Menschen sehen ängstlich dem Weltgericht entgegen.

So sehnen sie sich bestenfalls nach einem freundlich lächelnden Gott: nach einem Gott, dessen „Angesicht leuchtet“, wie es in der biblischen Sprache heißt. Lachen befreit. Witze machen die widersprüchliche Welt erträglich. Und das auch in einem tieferen theologischen Sinn: Dass wir zugleich Sünder und Gerechtfertigte sind, dass wir in einem tiefen Widerspruch stecken, ist Grund genug zum Lachen, nicht zum spöttischen, sondern zum befreienden. Dieses Lachen der Befreiung muss wohl von Gott stammen.

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