Foto: alyssa/photocase
"Begegnungen" ist das Wochen-Motto bei 7 Wochen ohne. Wir bei chrismon haben so unsere Erfahrungen!
Tim Wegner
19.02.2013

Wenn chrismon-Redakteure eine „Begegnung“ moderiert haben, rufen sie danach meistens im Büro an und seufzen erleichtert ins Telefon „hat funktioniert“. Ja, warum soll das auch nicht klappen, zwei Prominente zu einem Doppel-Interview in einen Raum zu bringen? Klingt im Zeitalter von Smartphones ja nicht nach dem ganz ganz großen Risiko. Aber wir meinen mit „funktioniert“ auch nicht nur den ICE, den Flieger und das Aufnahmegerät. Ja, das auch. Aber „funktionieren“ muss ja noch was ganz anderes. Die Chemie. Der Draht.  Die Wellenlänge. Sagen wir: die zwei, die wir da ausgesucht haben, müssen sich nicht nur real „begegnen“. Es müssen sich auch, großes Wort, ihre Seelen berühren. Darin besteht – jenseits von Fahrplänen und Flughafenstreiks – das wahre Risiko einer chrismon-Begegnung.

Ja, das gibt’s. Es gibt Begegnungen, bei denen die Moderatoren ganz still werden. Wenn die Mutter eines Amoklauf-Opfers auf einen Mörder trifft, und die beiden einander so sehr verstehen wollen, dass die Interviewer ganz still werden. Wenn die Tochter einer RAF-Terroristin von der berühmten Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich die erlösenden Worte hört  „Das war doch verrückt! Das kann man nicht verstehen“.  Wenn der Boulevard-Journalist Ulrich Meyer wirklich was riskiert und sich den Medien- und Tsunami-Opfern stellt, nachdem viele andere Fernsehprofis unsere Anfrage ignoriert oder abgesagt haben. Wenn Joachim Gauck, heute Bundespräsident, mit dem Radsport Manager Hans-Michael Holczer so hochkarätig über Wahrheit und Lüge spricht, dass die chrismon Redakteure noch heute schwärmen: „Da ging ein Engel durch den Raum.“

Manche wollen gar nicht aufhören, sich zu begegnen


Bloß manchmal, da geht gar kein Engel. Da geht auch kein Teufel, da geht gar nichts. Da interessiert sich der Forscher einfach nicht für den Autor und hat seine Bücher nicht gelesen. Da ist die Sportlerin wirklich nur für Sportfragen zu haben. Da ist der Hirnforscher, der zum Thema Gewalt eingeladen war, schon bei der Ankunft so aggressiv, dass das sanftmütige Gegenüber ganz eingeschüchtert ist. Da plappert die junge Autorin so aufgeregt viel Text, dass der alte Psychologe, zumal nach einem schönen Glas Wein, einfach einschläft. Das sind die Risiken bei Begegnungen, die im besten Fall – die mit Engel – schon mal vier Stunden dauern können. Das war der Rekord, die Begegnung zwischen dem Filmemacher Pepe Danquart und der Extremsportlerin Ewa Wisnierska. Die wollten gar nicht aufhören sich zu begegnen. Andere reden gern – und vergessen, dass das Foto auch wichtig ist. Wie Peter Sloterdijk. Der ging einfach nach dem ersten Foto und kam nicht wieder. Das Gespräch vorher war allerdings hoch spannend gewesen, und das einzige Foto kam auf den chrismon-Titel.

Wenn die Rampensau zum Sensibelchen wird


Ja, die Fotografen, die tragen wirklich ein großes Risiko. Sie machen sich viele Gedanken, schleppen das grüne Sofa von chrismon-Redakteurin Mareike Fallet auf die Wiese am Mainufer, setzen den ganz und gar nicht schwindelfreien Nils Husmann in den „Blue Fire Megacoaster“ im Europapark Rust und lassen die SPD Politikerin Ute Vogt und den gescheiterten Millionär Tan Siekmann Liegestühle so blöd zusammenfalten, dass fast alle in den Maschsee fallen. Das größte Risiko dabei: Die Idee ist toll, aber unsere „Begegner“ denken gar nicht dran, sich der Regie zu fügen. Manfred Lütz, zum Thema „Fitnesswahn“ mit Werner Kieser eingeladen, weigert sich standhaft, auch nur fürs Foto eines der „modernen Foltergeräte“ zu besteigen. Günter Jauch will sich nicht vor einer Glitzer-Glückskulisse ablichten lassen (sah auch komisch aus). Und, das ist leider ganz häufig der Fall, der Fotograf hat sich wunderbare Sachen ausgedacht, aber die Menschen quatschen und quatschen. Und dann ist keine Zeit mehr. Schnell noch ein Foto, und der Politker muss in den Bundestag, der Fußballprofi zum Flughafen.

Unser Lieblings-Risiko? Dass wir uns vorher ein Bild machen von den beiden Kontrahenten – und es danach vollständig umfärben müssen. Die Rampensau aus dem Fernsehen, die sich live als Sensibelchen entpuppt. Die Fußballmanagerin, die uns in der schicken VIP-Lounge im Stadion nicht etwas Bundesliga-Tipps gibt, sondern empfiehlt, dringend diesen neuen Roman von John Maxwell Coetzee zu lesen. Philipp Lahm, der einen Lachanfall nach dem andern kriegt. So hatten wir uns die ja gar nicht vorgestellt. Tja, das war unser Risiko. Wie schön!

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