...zumindest jetzt noch nicht. Zur französischen Debatte über gleichgeschlechtliche Ehen
Lena Uphoff
30.01.2013

Frankreich streitet über die Ehe für Homosexuelle und das Recht auf künstliche Befruchtung für lesbische Paare. Eine maßgebliche Rolle in der für den Präsidenten Francois Hollande überraschend massiven Gegenbewegung zu seinen Liberalisierungsplänen spielt die katholische Kirche.

Bei der Auseinandersetzung in Frankreich handelt es sich jedoch keineswegs um ein plattes Pro und Contra zwischen gewissenlosen Modernisten links der Mitte und ewig gestrigen Konservativen rechts davon. Die Debatte ist bewundernswert vielschichtig und verläuft nicht entlang der sattsam bekannten Grenze zwischen den politischen Lagern.
Nur wenige der Gegner zum Beispiel bestreiten, dass Menschen, die sich einander verpflichten, die einander versorgen und in guten wie bösen Zeiten füreinander einstehen, in diesem Tun anerkannt werden sollen, gleich ob sie Mann und Frau oder gleichgeschlechtlich ein Paar sind. Die Gesellschaft muss ein Interesse an solchen freiwilligen Gemeinschaften haben. Das sieht im Übrigen auch die Mehrheit der evangelischen Christen und ihrer Kirchen in Deutschland so.

Schwieriger ist die Frage, ob eine solche gegenseitige Verpflichtung, der Vertrag des Paares den Namen „Ehe“ tragen soll, ja ob er, wie es für die katholische Version gilt, sakramentalen Charakter habe.

In vielen evangelischen Gemeinden in Deutschland ist inzwischen unspektakulärer Brauch, den Entschluss homosexueller Paare  zur eingetragenen Partnerschaft auch einzusegnen. Theologisch kein Problem. Die Einsegnung ist die Bitte an Gott, sein Segen möge auf der Beziehung liegen.

Könnten in Zukunft Enkel Großmütter adoptieren und sich vertraglich zu Retortenfamilien vereinen?


Wer die Marke „Ehe“ als Keimzelle der Familie, als Institution zur paarweisen Fortpflanzung des Menschengeschlechts ansieht, wird mit guten Gründen dagegen sein, den Begriff auf die anerkennenswerte vertragliche Vereinbarung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaft auszudehnen. Ein Blick in die Geschichte zeigt jedoch, dass es in früheren Zeiten auch ethisch-moralisch zu agieren meinenden Menschen möglich erschien, eine Frau mangels Fruchtbarkeit zu verstoßen. Heute gilt eine Ehe zwischen Mann und Frau auch dann als gültig, wenn sie kinderlos bleibt. Selbst die Bibel liefert, was Rollenbilder angeht, nicht durchgängig heute noch akzeptierte Bilder -  das Eheverständnis von Jakob oder David als Beispiele. Und die unauflösliche Ehe nach heutigem Verständnis ist eine kulturelle Errungenschaft von mehreren hundert Jahren Entwicklung im nachchristlichen Mittelalter.

Ein weiteres: Auch das, was man heutzutage Familie nennt, ist das Ergebnis von Kultur- und Wirtschaftsgeschichte. Gut möglich, dass wir in einigen Jahren neben der Adoption noch weitere Verfahren prämieren werden, in denen Nicht-Blutsverwandte unauflöslich Verantwortung für einander übernehmen. Enkel könnten Großmütter adoptieren, Freunde und Wohngemeinschaften könnten sich vertraglich zu Retortenfamilien vereinen, die gemeinsam besteuert und sozialversichert werden. Dies alles kann im Sinne einer Gesellschaft sein, die bestrebt ist, etwas gegen eine über alles herrschende Single-Kultur und daraus folgende Vereinsamung zu unternehmen. Im Sinne der Subsidiarität, der Entlastung der großen staatlichen Gemeinschaft durch freiwillige Bündnisse kleiner Gemeinschaften, wäre dies. Subsidiarität ist im Übrigen ein Prinzip aus der katholischen Soziallehre und der protestantischen Sozialethik.

Also: Ich bin dafür, die schmerzlich Berührten damit zu verschonen, den ihnen lieb gewordenen Ehe-Begriff auf anderes auszudehnen. Man muss ja auch einer Gemeinschaft von Sportfreunden oder gar Unternehmern nicht erlauben, sich Genossenschaft oder Gewerkschaft zu nennen, auch wenn sie sich ähnlichen Werten verpflichtet weiß. Verzicht aus Rücksichtnahme  wünsche ich mir. Aber das ist rein kulturelle Sache im Blick auf das und in Relation zu dem Empfinden von Mitmenschen. „Ehe“ ist kein eherner, absoluter Begriff, schon gar nicht in christlichem Verständnis vom Wert der Gemeinschaft.

"Gebärprämien" - Werbung statt Häme!


Die Bewegung des Christentums ging in Sachen Gemeinschaft, zumindest in den Worten ihres Gründers, über die Grenzen des Denkbaren weit hinaus. Jesus formulierte laut Matthäus-Evangelium (10,36), dass des Menschen Feinde seine Hausgenossen sein sollen. In diesem Sinne könnte man sagen, alles, was der Liebe, dem Leben und der Gemeinschaft dient, soll gesegnet sein.

Schwieriger wird es mit dem Recht auf künstliche Befruchtung. Aber selbst hier ist nicht auszuschließen, dass eine kinderlose, alternde Gesellschaft, in der auf einen Rentenzahler recht bald zwei Rentenbezieher kommen werden, in naher Zukunft so weit sein könnte, mit allen denkbaren Mitteln auf die Erhöhung der Kinderzahl hinzuwirken: mit einer großzügigen Familienpolitik, mit einer Steigerung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mit steuerlichen Bevorzugungen, die man nicht mehr hämisch sondern werbend als „Gebärprämien“ ausloben würde.

Die französische Debatte in ihrer Vielschichtigkeit dürfte die deutschen Parteien im Wahljahr 2013 nicht kalt lassen. Und das ist gut so.

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