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Tim Wegner
23.01.2012

chrismon: Kommt Wirtschaftsethik in der Bibel vor?

Christopher G. Große: Ja! Oft geht es um den Umgang mit Vermögen und um Wucher. Gibt es einen gerechten Zins, der den Schuldner nicht überfordert? Martin Luther hat diese Fragen aufgegriffen, er war ein regelrechter Wirtschaftsethiker.

Was hat ihn interessiert?

In seiner Schrift „Von Kaufshandlung und Wucher“ schreibt er, es sei unchristlich, wenn Brot aus Profitgier teuer verkauft wird. Luther kritisierte Monopolstellungen; er lebte in einer Zeit, in der große Handelshäuser so etwas wie globale Konzerne leiteten. Die Familien Fugger und Welser exportierten Edelmetalle und Textilien. Aber dort, wo sie verkauft wurden, konnten sich nur wenige Silber, Samt und Seide leisten. Ähnliches wirft man heute großen Rohstoffkonzernen vor. In Afrika wird genug Mais und Getreide produziert, aber nicht für die einheimischen Märkte.

Passen Ethik und Wirtschaft zusammen?

Wirtschaft lässt sich heute überhaupt nicht mehr ohne Ethik denken. Es gibt Konzerne, die über Ländergrenzen hinweg agieren und deren Umsätze das Bruttoinlandsprodukt ganzer Staaten übersteigen. Es wäre fatal, wenn sie ethische Maßstäbe verletzen.

Aber gerade solche Konzerne können das Recht einzelner Staaten umgehen.

Diese Konzerne müssen aber nicht nur Mitarbeitern und Kunden gerecht werden, sondern auch den Anlegern, den Shareholdern. Sie haben Interesse an langfristigem Erfolg. Das Dilemma des „Shareholder-Value“ ist doch aber, dass Unternehmen schnellen  und kurzfristigen Erfolg haben müssen.
Es gibt einen Interessenkonflikt. Hedgefonds etwa haben häufig eher kurzfristige Interessen. Aber: Es gibt immer mehr Investoren, die eine langfristige, stabile Entwicklung ­wollen. Und die gucken auf die ethische Komponente ihres Investments. Rentenfonds verwalten riesige Vermögen. Sie müssen ihre Risiken minimieren, weil sie Menschen vertreten, die eine sichere private Rente wollen.

Und das bedeutet?

Nehmen wir den Ölkonzern BP. Jeder dachte: BP? Solide Gewinne, gute Anlage! Aber ein einzelner Vorfall – der Untergang der Ölplattform „Deepwater Horizon“ – reichte aus, um den Konzern an den Rand der Pleite zu bringen. Also gucken große Kapitalanleger genau hin, welches Risikomanagement ein Unternehmen, in das sie investieren, betreibt: ­Werden Umwelt- und Sicherheitsstandards beachtet? Firmen, die nachweisen können, dass sie wirtschaftsethischen Ansprüchen gerecht werden, haben Vorteile.

Wie weit sind wir in zehn Jahren mit der Wirtschaftsethik?

In zehn Jahren haben sich Unternehmen hoffentlich transparente Regeln gegeben, damit kommende Generationen und Menschen aus bislang ärmeren Regionen so leben können wie wir. Ich habe mich mit dem Corporate-Social-Responsibility-Ansatz (CSR) befasst, einem Managementkonzept mit drei Säulen: ökonomische Sicherheit, soziale Gerechtigkeit und ökologisches Gleichgewicht. Das sind keine Gegensätze! Ein Beispiel: Eine ­Firma spart Geld, wenn sie Wasser spart. Und sie tut etwas für ihr Image: Das Thema Wasserknappheit wird kommen, und wenn das Unternehmen als Verschwender gilt, schadet es seinem Ruf.

Was hören wir in 20 Jahren von Ihnen?

Ich bleibe dem Thema treu, um zu zeigen, dass wir die Wirtschaftsethik brauchen. Das beweisen die aktuellen Krisen.

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