Foto: photocase / melfe
Klimawandel: Das Eis rutscht ins Meer
In zehn Jahren... ist die Erde noch viel wärmer als heute sagt die Klimaforscherin Maria Martin. Beweisen kann sie dies mit Hilfe von Computermodellen.
Tim Wegner
19.04.2012

chrismon: Wie beginnt Ihr Arbeitstag?

Maria Martin: Ich schalte den Computer an und werte mit meinen Kollegen die Daten aus, die unser Eismodell über Nacht errechnet hat.

Ihr Computer rechnet nachts?

Nein, aber ich mache numerische Simulationen auf einem Großrechner, der hier am Institut im Keller steht. Das sind mehrere Schränke, voll­gestopft mit Prozessoren. Die rechnen Tage und Wochen, rund um die Uhr. Die neuesten Ergebnisse sehe ich an meinem Rechner.

Was ist eine numerische Simulation?

Mit Papier und Bleistift rechnet man analytisch, so löst man zum Beispiel eine Gleichung. Für komplexe Systeme wie das Klima benutzt man oft numerische Modelle: Man legt ein Raster über die Wirklichkeit – in meinem Fall ein vir­tuelles Gitter, das über der Antarktis liegt. An ­jedem Gitterpunkt löst der Großrechner gleichzeitig Gleichungen – und simuliert, was mit den Eismassen passiert.

Waren Sie schon mal in der Antarktis?

Ja, ich durfte auf dem Forschungsschiff „Polarstern“ für zehn Wochen in die Antarktis reisen.

War das wichtig für Ihre Arbeit?

Ja! Diese Eismassen vor mir zu sehen, diese Weite, diese Stille: Das ist sehr beeindruckend. Wir haben uns mit Methoden beschäftigt, den Luftgehalt von Eisschollen zu untersuchen. Das liefert wichtige Daten, mit denen wir die numerischen Modelle verfeinern.

Was ist unter der Antarktis – Wasser, Land?

Die Antarktis ist ein Kontinent, größer als Europa und fast vollständig mit kilometerdickem Eis bedeckt. Der Neuschnee dort verdichtet sich mit den Jahren zu Eis. Das fließt langsam zum Ozean hin, wie zäher Honig auf einer Unter­tasse. Wo das Eis ins Meer fließt, schwimmen Schelfe auf dem Wasser. Wie ein Korken eine Flasche verschließt, helfen die Schelfe, das Eis auf dem Land zu halten.

Ist es in der Antarktis wärmer geworden?

Davon ist auszugehen, auch wenn die direkten Messdaten in der Antarktis nicht sehr weit ­zurückreichen. 2002 ist ein großes Eisschelf ­kollabiert, es ist einfach zerbröselt. Vermutlich, weil sich dort Schmelzwasser gebildet hatte.

Welche Rolle spielt die Erderwärmung?

Im größten Teil der Antarktis herrscht ewiger Frost. Aber die Schelfe sind in Berührung mit Wasser. Die Erderwärmung kann dazu führen, dass die Wassertemperatur steigt oder wärmere Strömungen unter die Schelfe gelangen. Mit unseren Modellen wollen wir herausfinden, wie leicht so ein Korken herausploppen kann.

Was passiert, wenn der Korken ploppt?

Die Fließgeschwindigkeit des Eises wird steigen; es wird erheblich mehr Eis ins Meer rutschen. Langfristig steigt der Meeresspiegel. Wie schnell und wie viel – das wollen wir herausfinden. ­Satellitendaten zeigen, dass die Antarktis bereits jetzt immer schneller Eis verliert.

Klimaskeptiker bestreiten, dass der Mensch den Klimawandel verursacht. Was erwidern Sie?

Vor einigen Jahrzehnten haben viele noch bestritten, wie gefährlich das Rauchen ist. Heute macht das niemand mehr. So könnte es mit dem Klimawandel auch sein. Es dauert, bis Menschen Risiken akzeptieren. Die Fakten ­zeigen klar, dass unser Ausstoß an Treibhaus­gasen zur globalen Erwärmung führt.

Und in zehn Jahren?

Selbst wenn wir weniger Treibhausgase freisetzen: Die Veränderungen im Eis werden noch weit länger spürbar sein. Was wir heute tun, hat Folgen – wahrscheinlich für Jahrtausende. Ich will weiter an meinen Modellen arbeiten, um die Antarktis noch besser als heute zu verstehen.

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