Ist doch wurscht, was die in ihrer Elternzeit machen
Kritik an Kristina Schröder und ihrem Buch: Wurde es etwa während der Elternzeit verfasst? Eine kleinkarierte und unnötige Diskussion, findet Ursula Ott.
Tim Wegner
20.04.2012

Wie der Mensch das Leben, die Liebe und das Arbeiten zusammenbringt – das ist ein großes Thema. Richtig groß, richtig schwierig, ständig neu. Da muss der eine umziehen, die andere ihre Arbeitszeit reduzieren, der dritte einen Krippenplatz finden und die vierte drei Stunden am Tag pendeln. Die gute Nachricht: Die meisten Deutschen kriegen sie irgendwie hin, die berühmte Work-Life-Balance.

Sie brauchen dazu zwei Dinge: eine menschenfreundliche Infrastruktur, also Krippenplätze, bezahlbaren Wohnraum, pünktliche Bahnen, flexible Arbeitszeiten. Das ist das eine. Und sie brauchen Menschen um sich herum, die sagen: Du schaffst das. Chefs, Partner, Politiker, die jeden einzelnen nach seiner Facon glücklich werden lassen. Hat mit Vertrauen zu tun. Und mit Freiheit. Es wird nie eine Lösung für alle geben.

Was der Mensch zwischen Work und Life überhaupt nicht brauchen kann, ist Kleinlichkeit. Kontrolle. Korinthenkackerei. Davon hat er und vor allem sie die letzten Wochen aber reichlich. Erst gab es am 28. März einen albernen Brief von zehn SPD-Frauen an Sigmar Gabriel mit der Frage, wie lange er denn in Babypause gehen werde. Dabei müssen das Sigmar Gabriel und seine Frau schon selber wissen, wer wann auf das Kind aufpasst.

Überstundenzettel im Internet - grauenhaft

Jetzt wollen auch noch die SPD-Frau Elke Ferner und die Grüne Renate Künast klären lassen, in welchen Stunden haargenau die junge Mutter Kristina Schröder und ihre Mitarbeiterin Caroline Waldeck ihr neues Buch geschrieben haben. Waldeck, alleinerziehende Mutter, hat offenbar einen Teil ihrer Elternzeit zum Schreiben verwendet – und das geht ja nun gar nicht, findet Renate Künast.

Schröder als ihre Chefin müsse „dafür Sorge tragen, dass Mitarbeiter auch wirklich Urlaub machen.“ Nein, das muss sie nicht! Wie grauenhaft, dass wir jetzt – nach den vielen Hotelquittungen von Christian Wulff – auch noch die Überstundenzettel von Caroline Waldeck im Internet nachlesen können.

Liebe Frauen, das ist alles zu klein-klein-klein. Mir doch wurscht, was die in ihrer Elternzeit machen. Manche Mütter gehen mit dem Kind auf Weltreise und schreiben Bücher drüber. Manche Väter machen in der Elternzeit Internetfirmen auf und spekulieren mit Aktien. Und ganz viele Mütter verbringen übrigens die Elternzeit damit, hundert verschiedene Krippen abzuklappern, um einen Platz zu kriegen. Da liegt der Skandal.

Politiker sollen uns Familien in Ruhe lassen

Das muss geregelt werden, siehe oben. Es muss Krippenplätze geben, gute, tolle Erzieherinnen, bezahlbar, all das. Wer sie dann wie viele Stunden am Tag nutzt und in der dadurch gewonnen Zeit ein Buch schreibt oder im Liegestuhl liegt – das geht uns überhaupt nichts an. Die Menschen sollen rund um die Uhr bei ihrem Kind sein oder nicht, das können wir ihnen nicht vorschreiben.

Schließlich wollen wir ja auch nicht, dass die Politik sich in unsere Lebensplanung einmischt. Da müssen wir laut werden – wenn Frau Schröder mit einer Herdprämie die Mütter nach Hause holen und zwischendurch zum Kinderarzt schicken will. Übergriff! Wenn der Finanzminister mit einem Familienbild aus den 50er Jahren noch immer die kinderlose Hausfrauenehe privilegiert – Übergriff!

Die Politiker sollen uns Familien in Ruhe unser Leben regeln lassen. Dann müssen wir sie aber auch in Ruhe ihr Familienleben regeln lassen.

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Während es in der DDR ein dichtes Netz an staatlichen Kinderkrippen gab 1988 zählte man 7.770 Kinderkrippen und Dauerheime für Säuglinge/Kleinkinder mit 355.089 Plätzen, hat sich vorwiegend der Bedarf in Westdeutschland am Fehlen der elterlichen Erziehung orientiert.

Eltern sind kaum in der Lage ihre eigenen Kinder zu erziehen. Meistens werden Erziehungsratgeber gekauft. Erziehung nach Buch-Rezept.

Da könnten wir alle neidisch werden, auf auf ausländische Mami`s, die das ganz alleine hinkriegen. Ohne Buch. Ohne Krippe. Westdeutschland ist die neue DDR - inclusive Dauerheime und Kinderkrippen.

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Selbstverständlich ist Gabriel seinen Wählern gegenüber Rechenschaft schuldig, wie lang er sich eine Auszeit nimmt. In der Post-Wulff-Ära wird- gleiches Recht für alle-auch bei jedem und jeder genau auf die Spesenzettel geschaut werden.
Und wer sagt denn, dass Mütter für das Betreuungsgeld nicht verlässliche Kinderbetreuungen statt überforderter, akkord-windelnder und unterbesetzter U3 Legebatterien einkaufen?
Die "KiTa ab Kreißsaal"- Ideologie verdanken wir Bertelsmann/McKinsey et al., die teuer ausgebildete Muttis subito wieder in die "steigert das Bruttosozialprodukt-Mühle" zurückkatapultieren wollen. Unsere Kinder laufen dabei Gefahr zu verdummen, so Expertenmeinungen -auch linker Erziehungswissenschaftler. In Frankreich crasht gerade das Fremdbetreuungs-Bildungssystem -die Schulabbrecherquote ist höher als unsere und laut allen großen Jugendstudien verlieren institutionelle Einrichtungen wie Schulen rasant an Zustimmung und Einfluß, während Familie und Freunde Topplätze in der Lebensgestaltung gewinnen.
Gegen das Betreuungsgeld zu pöbeln, nimmt Familien ihre Entscheidungsfreiheit und entmündigt sie. Mit der gesellschaftlich gesteuerten U3 Zwangsbetreuung mischt sich die Politik massiv in unser Leben ein.
Der Kommentar ist zwar kein Übergriff -aber ideologisch unterbelichtet.

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