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Gleiches Geld für gleiche Leistung: "In zehn Jahren ist es egal, wer das Geld verdient"
Tim Wegner
22.03.2012

Die Frauen bringen das Geld nach Hause – das ist doch eine gute Nachricht, oder?

Katrin Menke: Viele denken: Toll, dass es gut ausgebildete und gut verdienende Frauen gibt. Aber die Schattenseite ist: Die Männer sind auf dem Arbeitsmarkt unter Druck geraten. Es gibt mehr Leiharbeit, befristete Stellen, Niedriglöhne und Teilzeitarbeit. In der Industrie gehen Arbeitsplätze verloren, neue Jobs entstehen eher im Dienstleistungsbereich, in dem viele Frauen arbeiten; als Verkäuferinnen, als Altenpflegerinnen, in Callcentern, in der Gastronomie. Das sind aber oft schlecht bezahlte Zuverdienerin-Jobs. Frauenberufe waren nie so gedacht, dass der Verdienst für eine ganze Familie reicht.

Sie haben in Ostdeutschland geforscht. Was ist dort anders?

Im Osten gibt es häufiger Familienernährerinnen, nämlich in 15 Prozent aller Paarhaushalte. Im Westen sind es nur neun Prozent.

Ist das ein DDR-Erbe?

Ja, in der DDR haben Frauen in der Regel Vollzeit gearbeitet, egal ob Mutter oder nicht. Viele Ostdeutsche haben uns in den Interviews gesagt: „Arbeiten? Ist doch normal!“

Wenn die Frauen das Geld verdienen – machen die Männer dann die Hausarbeit?

Fast alle Frauen sagen erst mal: Die Hausarbeit teilen wir gerecht auf. Bei konkreten Nachfragen, „Wer kocht, wer putzt, wer macht die Wäsche?“, kam dann immer: „Ich! Ich! Ich!“ Das ist den Frauen gar nicht bewusst. Wir haben nicht einen einzigen Rollentausch gefunden: Der Mann wird Hausmann, die Frau geht arbeiten. Aber immerhin engagieren sich Partner von Familienernährerinnen mehr im Haushalt und bei den Kindern als andere Männer, auch wenn wir von einer Gleichverteilung noch weit entfernt sind.

Wie geht es den Familienernährerinnen?

Keine Frau ist glücklich, wenn ihr Partner ­arbeitslos oder erwerbsunfähig ist. Erst recht nicht, wenn sie der Familie trotz Job nur ein ärmliches Leben bieten kann. Diese Frauen sind doppelt und dreifach belastet: Ihre Arbeit ist schlecht bezahlt, die Arbeitszeiten sind schwer planbar, und oben drauf kommen Kinder und Haushalt. Frauen in ­Ostdeutschland kommen insgesamt aber besser mit der Rolle als Familienernährerin zurecht; die Frauen im Westen fühlen sich eher zerrissen, weil sie nie davon ausgegangen sind, die Familie ernähren zu müssen.

Sind das starke Frauen?

Ich komme aus dem Ruhrgebiet und bin ein Fan ostdeutscher Frauen geworden. Unglaublich, was die leisten, ohne zu jammern! Ich kann mich gut an eine Arzthelferin erinnern, deren Mann seit Jahren arbeitslos ist. Wir haben nach ihren Wünschen gefragt, da zeigte sie auf ein Sparschwein. Von dem Geld wollen sie ihrem Sohn das Meer zeigen, die Ostsee. Jeder Cent zählt!

Und in zehn Jahren?

Haben Frauen endlich die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt – und es ist egal, wer die Familie ernährt. Ein richtiger Schritt in diese Richtung wäre ein Mindestlohn: Dumping­löhne gehen oft an Frauen; und dass sie nicht ausreichen, wird klar, wenn es mehr Familien-ernährerinnen gibt. So oder so ist es für Familien schon heute riskant, sich nur auf ein Einkommen zu verlassen. Am schönsten ist doch, wenn in einer Partnerschaft beide wirklich beides hätten: ein Gehalt, das zum Leben reicht – und Zeit für Familie.
 

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