... und Hüttenbau im größten Flüchtlingslager der Welt. Christen aus aller Welt berichten in E-Mails von ihren Eindrücken. Diesmal: aus den Philippinen und aus Kenia.

Betreff: Man muss doch reden

Gesendet von: Svenja Daub  aus den Philippinen


Als Weltwärts-Volontärin unterrichte ich an einer privaten christlichen Schule in ­Cebu, Philippinen. Mit den Schülern soll ich einen Salzburger Bühnenklassiker ein­­stu­dieren: „Sound of Music“ – eine Klosternovizin verliebt sich in einen Baron. Edelweiß und österreichische Berge auf tropischer Insel. Die Direktorin übertrug mir für das Stück „die volle Verantwortung“, wie sie sagte. Und gab sonst kaum Anweisungen.

Mein anfänglicher Respekt verwandelte sich in Vorfreude darauf, dass ich eigene Ideen entwickeln kann! In den Proben fanden wir neue, moderne Zugänge: Die Hochzeitsszene etwa, im Original sehr pompös, will ich nur andeuten: mit Glockengeläut und Hochzeitsmarsch aus dem Off.

Doch ich hätte es wissen sollen: Auf den Philippinen kommuniziert man oft ohne Worte. Natürlich hatte die Direktorin genaue Vorstellungen („Möglichst traditionell! Vor allem die Hochzeitsszene, das Herz-stück der Show!“). Nur hatten wir kaum darüber gesprochen. „Volle Verantwortung“ hieß: ihre Erwartungen erspüren. Für Filipinos wohl eine Leichtigkeit.
Wissenschaftler unterscheiden kollektiv und traditionell ausgerichtete „high-context cultures“ (HC) von individualisierten, wenig traditionellen „low-context cultures“ (LC). In einer HC-Kultur wie der philippinischen genügen Andeutungen, um verstanden zu werden. Es gibt eine breite gemeinsame Wissensbasis. Direktheit gilt als unhöflich. In einer LC-Kultur wie der deutschen muss die Gemeinsamkeit erst geschaffen und vieles ausgesprochen werden.

Erstaunt stelle ich fest, dass ich nach fast einem Jahr hier wohl doch noch ziemlich „deutsch“ bin: Ich brauche die Worte, die hier nicht ausgesprochen werden. Ich brauche Bestätigung – oder auch ein bisschen konstruktive Kritik. Oft sehne ich mich nach Bewertungen, nach der Sicherheit, die richtige Linie zu verfolgen.

Die Aufführung ist bereits in ein paar Wochen. Noch ist kein Hochzeitskleid gekauft, sind viele Fragen offen. Obwohl: Haben vielleicht wichtige Informationen schon die Runde gemacht? Ich werde meine Sensoren ausfahren.

 

 

 

Betreff: Einfache Wünsche 

Gesendet von: Lennart Hernander aus Kenia


Ich bin regelmäßig in Dadaab, dem größten Flüchtlingslager der Welt. Der Lutherische Weltbund (LWB) stellt dort die ­leitende Behörde. Die Menschen flohen letzten Sommer vor Dürre und Gewalt aus Somalia. In Deutschland kann man sich kaum vorstellen, wie diese Menschen leben.

Häufig erzählen mir Flüchtlinge, dass sie ihre Angelegenheiten so weit wie möglich selbst organisieren möchten – besonders bei Streitereien. Die meist muslimischen Flüchtlinge können ihre Konflikte sowieso mit ihren bewährten Mediations- und Schlichtungsmethoden viel besser lösen als wir. Um sie zu unterstützen, hat der LWB Hunderte Friedensteams für die Lager ausgebildet.

Noch etwas wünschen sich die Flüchtlinge: eine Behausung mit Wänden und einem Dach, die Hitze und Regen abhalten – statt des Notzeltes. Selbst eine einfache Hütte aus Lehmziegeln schafft Privatsphäre und kann Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen verbessern. Diese Hütten sind kaum teurer als Zelte und müssen nicht nach einem halben Jahr witterungsbedingt ersetzt werden. Dieses Jahr baut der LWB mit den Flüchtlingen ungefähr 500 solcher Hütten in Dadaab. In einem Flüchtlingslager mit einer halben Million Einwohnern ist das noch nicht genug.

Die kenianischen Autoritäten mögen die Hütten nicht, weil sie nach einer dauerhaften Einrichtung aussehen. Schwer zu sagen, wie lang ein solches Lager existieren darf oder existieren sollte. Zurzeit können die Menschen noch nicht in ihre Heimat zurückkehren.

Klar müssen wir als internationale Gemeinschaft die Ursachen der Flucht bekämpfen. Aber jetzt müssen wir erst mal Verantwortung für die Flüchtlinge übernehmen. Bis die Ursachen gelöst sind und die Menschen zurückkehren können, werden die Flüchtlingslager in Dadaab noch viele Jahre weiterbestehen. Hunderttausende Menschen werden von der kenianischen Regierung und den Spenden aus dem Ausland abhängig bleiben, um in Würde leben und ihre Grundbedürfnisse decken zu können.

Spendenkonto des LWB: 419 540, EKK Hannover, BLZ 520 604 10, Spendenzweck: Dadaab

 



 

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