Foto: Cristian Genari/epd-bild
Allein unter Katholiken
"Nein, wir sind keine Sekte!" In der Hauptstadt Italiens muss man sich als Protestant immer wieder erklären. Schreibt Auslandspfarrer Jens-Martin Kruse in dieser E-Mail aus Rom

 

Als evangelischer Pfarrer in Rom bin ich oft bei ökumenischen Gottesdiensten dabei. Ich halte die Predigt, feiere die Liturgie mit, spüre die Gemeinschaft unserer beiden Konfessionen – und werde dann beim anschließenden Empfang gefragt: „Seid ihr eigentlich auch Christen?“

Rom ist das Zentrum der römisch-katholischen Weltkirche, schon klar, aber diese Frage trifft mich dennoch. Immer wieder zu erklären, dass wir keine Sekte sind, dass auch wir zu der einen Kirche Jesu Christi gehören – immer wieder in der eigenen Glaubensidentität infrage gestellt und auch abgewertet zu sein – das schmerzt und ist anstrengend.

Trotzdem meine ich: Die „ewige Stadt“ ist ein guter Ort, um evangelisch zu sein. Anglikaner, Orthodoxe, Armenier, Methodisten, Baptisten – alle christlichen Kirchen der Welt sind hier vertreten. In der Gebetswoche der Einheit der Christen vom 18. bis 25. Januar komme ich aus dem Talar praktisch nicht heraus, so viel ist hier los.
Aber auch im Alltag bestreiten wir zusammen Bibelarbeiten, sozialdiakonische Projekte oder Konzerte. Nach dem Erdbeben in den Abruzzen 2009 haben alle Gemeinden in unserem Stadtviertel innerhalb von einem Tag eine Hilfsaktion für 40 Senioren auf die Beine gestellt, und wir versorgten diese Menschen ein halbes Jahr lang gemeinsam.

Die lebendige und bunte Ökumene in Rom gehört für mich zu den großen Bereicherungen meines eigenen Glaubens. Und sie ist unabhängig von der ökumenischen Großwetterlage. Auf Weltebene gibt es eine neue Verzagtheit und Zurückhaltung, so mein Eindruck. Theologisch sind die wichtigsten Streitpunkte geklärt, Schritte aufeinander zu. In Rom aber spüre ich: In den Gemeinden wächst die Nähe der Menschen. Und dies ist eine kirchliche Wirklichkeit, die sich nicht mehr zurückschrauben lässt.
 

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