Isadora Tast
Danke! Einer muss das ja machen...
Dreckig, laut, unbeliebt. Über manche Berufe denkt man: Den Job will ich nicht machen. Aber solche Arbeit machen viele, mit großer Hingabe, oft ein ganzes Leben lang. Zum Glück!
Felix EhringLena Uphoff
14.12.2012

Die Klofrau: "Mitunter ist es ekelig"

Zwischen Damenklo und Herrenklo ist ein schmaler Durchgang. Da stehen zwei Stühle, ein Tischchen. Auf einem ­Regal blühen Plastikblumen, und kleine Plastik­feen lächeln aufmunternd auf Hildegard Küfner herab. Frau Küfner trägt einen weißen Kittel und bequeme Badelatschen. Sie ist Klofrau im Park „Planten un Blomen“ mitten in Hamburg. Nach jedem Benutzer geht sie mit ihrem Putztuch los, damit für den nächsten Kunden alles sauber ist. „Die Männer treffen das Pissoir nicht, und die Frauen...“ Sie zögert, schüttelt den Kopf mit den fleischigen Wangen und den vielen kleinen Lebensfältchen. „Kommen Sie mal mit, ich zeig’ Ihnen das“, sagt sie. Geht mit kurzen Schritten in die Damentoilette und zeigt stumm auf die ­Hygienebeutel. Oft würden die nicht ­benutzt. „Es ist mitunter ekelig“, sagt Frau Küfner in Hamburger Tonart.

Wenn sie Pause macht, schaltet sie den kleinen Fernseher am Fenster ein. Gerade läuft „Zwei bei Kallwass“, eine Sendung auf Sat.1, in der Laienschauspieler lauthals dabei scheitern, erfundene Konflikte glaubwürdig auszutragen. Ein Mann und eine Frau schreien sich an, es geht um einen Drogencocktail.

Regelmäßig kommt Kundschaft ins Klohäuschen, und das ist auch gut so. Denn die Arbeit, sagt Frau Küfner, „hält mich vom Grübeln ab.“ Vom Grübeln über 76 Lebensjahre, in denen sie Dinge erlebt hat, die so rau klingen wie die erfundenen Geschichten auf Sat.1. Hildegard Küfner ist in Holstein geboren, hatte 15 Geschwis­ter. Die Eltern gaben sie weg, sie wuchs auf einem Bauernhof auf, musste schon als Kind immer arbeiten. Küfner heiratete, ihr Mann betrog sie, Scheidung. Später: Der Lebensgefährte versoff seinen Führerschein, da fuhr sie den Lkw seines Schrotthandels selbst. Alles lange her.

"Arbeit ist meine Medizin!"

Einmal trugen Sanitäter Frau Küfner aus dem Klohäuschen. Ein Räuber hatte sie hinterrücks niedergeschlagen, Schädelbruch, Lebensgefahr. Sie nickt. Das war was. Von Frau Küfners acht Kindern sind drei schon gestorben. Sie selbst hatte einen Herzinfarkt, hatte Krebs, hat sich und Gott schon öfter gefragt, warum sie das alles mitmachen muss. Hat nie aufgegeben. „Arbeit ist meine Medizin“, sagt sie.

Was Frau Küfner nicht leiden kann: schlechtes Benehmen. Da kann sie auch mal deutlich werden, wenn Halbstarke auf der Toilette rumkrakeelen, auch noch frech antworten auf Frau Küfners Bitte um etwas mehr Ruhe. Seit 25 Jahren ist sie Klofrau. Drei Jahre will sie noch arbeiten und so ihre schmale Rente aufbessern – wenn die Knochen es mitmachen, die operierten Schultern. Ihr kleiner Kurzhaar-Chihuahua Chila ist immer dabei, geht aufs Wort zurück ins Körbchen, guckt Frauchen mit großen Augen an. „Ich habe immer ge­arbeitet“, sagt Frau Küfner. Und wenn sie Urlaub hat? „Dann komm ich bei, den Keller auszumisten“, sagt sie.

Auf Sat.1 schreien sich der Mann und die Frau immer noch ihr Honorar zusammen. Die Frau kreischt: „Du bist dabei, mein Leben zu zerstören.“ Frau Küfner macht den Fernseher aus.

Der Schlachter: "Man ist dem Tier etwas schuldig"

Hoch im Norden, wo sich die Landschaft vor der steifen Brise wegduckt und die Nordsee schon zu erahnen ist, klingelt jede Nacht um drei Uhr der Wecker von Roland Friedrichsen, 41. Der Metzger steht auf und fährt mit dem Rad zur Schlachterei am Ortsrand. Er radelt an Wiesen vorbei, auf denen schlafende Rinder liegen. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass Friedrichsen die Tiere eines Tages von einer anderen Seite sehen wird: im Schlachthof, am Haken hängend, halbiert.

Für Vegetarier ist es unerträglich, für alle anderen Menschen ist es Teil ihrer Ernährung: Die Tiere müssen getötet werden. Friedrichsen ist Meister in einem Familienbetrieb mit 140 Angestellten und zehn Filialen. Pro Woche tötet der Betrieb bis zu 100 Schweine, 40 Rinder und 20 Lämmer. Laut Schlachterei stammen die Tiere von Höfen aus der Region. Wenige Stunden nach der Anlieferung werden sie betäubt und getötet. Ein Tierarzt überwacht das Schlachten.

Wütend macht ihn, wenn Fleisch weggeworfen wird

In der blank geputzten Schlachtabteilung riecht es nach Stall, Vieh und irgendwie beißend nach Blut, Fett und abgebrannten Borsten. „Viele denken nicht mehr daran, dass für ihr Fleisch ein Tier gestorben ist“, sagt Schlachter Friedrichsen beim Rundgang. Es macht ihn wütend, wenn er sieht, dass Fleisch weggeworfen wird, billige Würste aus dem Supermarkt zum Beispiel, die am Ende des Grillfests keiner mehr will. „Man ist es dem Tier schuldig, dass man es gewissenhaft verarbeitet und isst“, sagt Friedrichsen. Er habe  durchaus Mitleid mit den Tieren.

Friedrichsen ist für die Wurstproduktion verantwortlich, fürs Brühen, Kochen und Räuchern. Wenn Not am Mann ist, hilft er auch beim Zerlegen. Dort geht es gröber zu: Schlachter zerteilen die Rinder und Schweine, schneiden Koteletts heraus, Filets, Rippen. Die Männer arbeiten schnell und präzise mit ihren spitzen Messern. Kleine Fleisch- und Fettfetzen liegen auf den Tischen, über einen Zerlegetisch zieht sich die Spur eines Blutspritzers. Eine Kreissäge kreischt. Aus einem Radio dudelt „Woman“ von John Lennon: „I love you, yeah yeah, now and forever.“
Schlachter, das ist ein Knochenjob. Friedrichsen macht ihn trotzdem gern: „Ich bin Metzger durch und durch“, sagt er. Es liegt wohl auch am Betrieb, in dem er tätig ist und der den Preiskampf der ­Supermärkte nicht mitmacht. Manche Schlachthöfe töten bis zu 12 000 Schweine am Tag. Er hat selbst zwei Jahre in einem solchen Zerlegebetrieb gearbeitet. Es hat ihm nicht gefallen: die Schlachter im ­Dauerstress, teilweise geringe Löhne. Nur deshalb ist das Fleisch im Discounter so abartig billig.

Fleischskandale haben dem Ruf der Branche geschadet. Verständlich, dass viele Betriebe Probleme haben, Lehrlinge zu finden. Metzger – den Job wollen nur noch wenige machen.

Die Gerichtsvollzieherin: "Bekannte sagen: Das könnte ich nicht"

Lübeckertordamm, Lohmühlenstraße, Kurt-Schumacher-Allee. Die Gerichtsvollzieherin Michaela Strunk, 37, ist unterwegs auf ihren Straßen, in ihrem Kiez: Sankt Georg, Hamburg. Ein rauer Stadtteil mit rauen Leuten. Einige davon zahlen ihre Rechnungen nicht. Die muss Strunk besuchen und prüfen, ob die Leute ihre Schulden begleichen können. Bei neuen Fällen weiß Strunk nie, wie die Leute reagieren. Einmal stand sie vormittags bei zwei betrunkenen Männern in der Wohnung, und einer der Männer schloss die Tür hinter ihr ab, rempelte sie an, schubste sie. Der andere Mann brachte den Aggressiven zur Vernunft. Eine andere Geschichte ist die Wohnungsräumung, bei der Strunk die Tür aufbohren ließ, weil niemand aufs Klingeln reagierte. Drinnen wartete der säumige Mieter mit einem Messer in der Hand. Er sprach kaum Deutsch, hatte Angst und beruhigte sich schnell wieder. Solche Dinge erlebt Frau Strunk zum Glück selten. Aber Routine ist die Arbeit nie, und das gefällt ihr. Strunk verteilt Bescheide zwischen verwohnten Altbauten und Obdachlosenheim.

Säumige Schuldner gibt es in allen Schichten, berichtet Strunk. Es könne jeden treffen, Alte wie Junge, Geschäftsleute, ALG-2-Bezieher, Akademiker und solche ohne Abschluss, Gewissenhafte wie Leicht­sinnige. Dann melden sich die Firmen, wollen Geld. Strunk nimmt mit den Schuldnern Kontakt auf, diskret, freundlich, wie sie sagt. Das sei ihre Taktik. „So kann ich die Leute eher überzeugen, eine Ratenzahlung zu vereinbaren.“

"Hast du nicht Mitleid?"

Schuldner, die sich nicht an Absprachen halten, werden von Frau Strunk vorgeladen, um eine eidesstattliche Versicherung abzugeben. Dann haben die Schuldner drei Jahre Ruhe vor ihren Gläubigern, erhalten aber auch einen Schufa-Eintrag, mit dem man wirtschaftlich stark eingeschränkt ist. Pfändungen bei Schuldnern sind sehr selten, da diese ohnehin meist in bescheidenen Verhältnissen leben.

Von Bekannten hat Strunk schon Sätze gehört wie: „Das könnte ich nicht.“ Und Fragen wie: „Hast du nicht Mitleid?“ Doch, in manchen Fällen. Deshalb bemüht sie sich, Schuldnern einen Weg aus der Misere zu zeigen, gibt Tipps, verweist auf Beratungsstellen. Strunk hat ein freundliches, offenes Lächeln, spricht klar und verbindlich. Frisur, Kleidung, Brille sind unauf­fällig. Ihre Art passt zum Beruf oder der Beruf passt zu ihrer Art. 15 bis 20 Beschlüsse verteilt Strunk täglich. Allein im Stadtteil Sankt Georg hat sie noch 17 Kollegen. ­Sobald es die Arbeitszeit zulässt, will ­Micha­ela Strunk einen Kurs zur Selbstverteidigung machen. Sicher ist sicher.

Der Wurstverkäufer: Solang die Füße tragen

Eine Bratwurst, bitte! Harald Rullmann verkauft eine Wurst. Kurz darauf wieder eine. Und noch eine Wurst. Senf oder Ketchup? Fast minütlich verkauft Rullmann eine Wurst im Brötchen zu 1,90 Euro von seinem Grill vor seinem Bauch.

Rullmann grillt Würstchen auf der meistbesuchten Einkaufsstraße Deutschlands, der Zeil in Frankfurt. Leute schlendern und hetzen vorbei, drängen sich, schwitzen, rennen, rufen, schleppen Tüten. Irgendwo im Getümmel steht Rullmann mit seinem Bauchgrill und legt Würste auf. Mittags fängt er an, bleibt bis 20 Uhr, eine Stunde Pause, sechs Tage die Woche außer bei Dauerregen, im Winter mit Thermohose.
Gewicht des Grills samt Wurst: 30 Kilogramm. Termine beim Orthopäden wegen Fußschmerzen: zwei in drei Jahren. Einkommen: „Nicht übermäßig, aber in Ordnung.“ Geht’s genauer? Harald Rullmann lächelt milde und schüttelt den Kopf. Und verkauft die nächste Wurst.

Neben Rullmann steht ein Mann mit einem riesigen Bündel bunter Helium­ballons. Der verkauft nichts. Die beiden gehen aufeinander zu. Ballonberg zu Grill: „Läuft’s?“ – „Nee, nicht so“, sagt Rullmann. Bitte? Schon sind die nächsten Kunden da: vier Mädchen, um die 15, mit Zahnspangen und Sneakers. Ihr Hobby: shoppen.

4000 Euro, Idee aus Berlin

Viele junge Leute kaufen bei Rullmann, der aussieht wie der Lieblingslehrer in der Schule und nett ist zu allen, nicht auf­gesetzt, nicht so übertrieben wie die Werbung in den Geschäften ringsum. Rullmann war 15 Jahre lang Fahrradkurier, bis das Geschäft nicht mehr lief. Also musste etwas Neues her, ein anderer Job an der frischen Luft. Den Grill hat Rullmann in Berlin gebraucht gekauft, denn daher kommt die Idee. Preis: 4000 Euro. Für den Straßenverkauf hat er eine Reisegewerbekarte. Ab und zu hört er dumme Sprüche von Halbstarken, ab und zu nerven die osteuropäischen Musiker. Die sind laut und dudeln ohne Pause. „Wenn sie wenigstens spielen könnten“, meint Rullmann.

Zwei kleine Jungs kommen auf den Mann mit dem Grill zu. Und der fragt so freundlich, was sie gerne hätten, dass sie das mit dem Bestellen bei Herrn Rullmann locker hinkriegen.

Der Strassenbauer: "Abends merke ich die Knochen"

Er ist nicht klug, aber jeder Autofahrer kennt ihn, diesen Gedanken: „Oh nein, Stau. Wegen einer Baustelle! Schon wieder. Mist, überall Baustellen!“

Der Straßenbauer Pascal Bischoff  erlebt das tatsächlich immer wieder: Er steht mit Schaufel und Schubkarre auf einer Straße, die er ausbessert, und vorbeifahrende Autofahrer hupen, weil sie warten mussten.
Oder Anwohner beschweren sich über Lärm. Anwohner, deren Straße erneuert wird!

Ganz ohne Lärm geht es eben nicht. Pascal Bischoff und die Kollegen von der Baukolonne arbeiten mit schwerem Gerät, zum Beispiel in Dietzenbach bei Frankfurt am Main, wo sie 25 Meter Nebenstraße erneuern. Der Polier steht auf der Asphalt­fräse, deren Form und Geräusche an ein Urtier erinnern, und reißt die obere Schicht der Straße auf. Pascal Bischoff und die anderen schaufeln das Zeug weg. ­Bischoff trägt Ohropax gegen den Lärm.

90 Kilogramm pro Stein

Währenddessen brodelt in einem Großkochtopf auf vier Rädern der neue Guss­asphalt in einem Gasbrenner bei 215 Grad. Diese Schlacke aus Steinen und dem Binde­mittel Bitumen lädt Bischoff in seine Schubkarre und schleppt sie zum Verteilen zu den Kollegen. Der Gussasphalt blubbert und dampft wie Lava, Bischoff schwitzt. Der 21-Jährige ist gelernter Straßenbauer, ein ganz ruhiger Typ. Er will Polier oder Meister werden, da kommt finanziell mehr bei rum. Hart verdient ist das Geld allemal. Abends merkt Bischoff die Knochen, vor allem nach Einsätzen am Pressluft­hammer und bei Bordsteinverlegungen: 90 Kilogramm pro Stein.

Mehrere Monate im Jahr schuftet Bischoff auf Autobahnen, oft nachts. Größte Angst: dass ein übermüdeter Lkw-Fahrer in die Baustelle rast. Das passiert immer wieder. Dann doch lieber die Anwohner mit ihren Fragen.

Der Schädlingsbekämpfer: "Meine Freunde wollen nicht mit mir tauschen"

Bettwanzen sind schwierig zu fassen, an die kommt man schlecht heran. Die verstecken sich geschickt: hinter Fußleisten, unter Tapeten, in Steckdosen. Nachts kommen sie heraus und beißen zu. Das juckt. Dann kommen Experten wie ­Robert Grimm, 44, geprüfter Schädlingsbekämpfer aus Frankfurt.

Grimm wird in private Haushalte gerufen, in Hotels, Restaurants und Behörden. Er setzt Fallen und Chemikalien ein gegen Ratten, Mäuse, Schaben, Wespen, Ameisen, Tauben, Fliegen, Motten oder eben Bettwanzen. Viele Schädlinge werden eingeschleppt, von Reisen oder Einkäufen in Groß- und Supermärkten.

Guter Job: krisensicher und abwechslungsreich

Grimm kommt in schmutzige Wohnungen, aber auch in oberflächlich saubere. „Manchmal ist das erstaunlich, was da alles zum Vorschein kommt, wenn ich sprühe.“ Zu seinen unangenehmsten Aufgaben gehört die Räumung von vermüllten Wohnungen und die Reinigung von Tatorten oder Häftlingszellen. Solche Geschichten lassen sich seine Freunde gerne von ihm erzählen. „Aber tauschen wollen sie nicht mit mir“, sagt Grimm lachend und kleine Fältchen ziehen sich von den Augen bis zu den Schläfen.

Was Grimm gefällt: Er arbeitet eigenständig seine Termine ab, sein Beruf ist krisensicher und abwechslungsreich. Nach einigen anderen Jobs als Bauschlosser, Lkw-Fahrer und Sicherheitsmann ist Grimm nun beruflich angekommen. Kunden begrüßen ihn meist wie einen Retter, nur „Auf Wiedersehen“ mag niemand sagen. Grimm weiß auch genau, in welchen Frank­furter Restaurants er lieber nicht mit seiner Frau essen geht. Die hat er übrigens bei der Arbeit kennengelernt. Sie war damals in einem Restaurant tätig.

Die Unbekannten: Schutzlos schuften im Verborgenen

Fehlt da nicht jemand auf dem Foto? Richtig! Viele Menschen arbeiten in Deutschland im Verborgenen. Sie putzen Hotelzimmer, bohnern Böden, ackern auf Bau­stellen, kratzen Essensreste von den Tellern im Restaurant, bügeln schneeweiße Hemdkragen, pflegen alte Menschen. Über­all in Deutschland arbeiten Tausende ohne Papiere, vor allem im Schutz der anonymen Großstadt.

Dieses Heer von Niedriglöhnern verhält sich unauffällig um jeden Preis, bloß kein Aufsehen erregen, nie die Stimme erheben, um nicht kontrolliert zu werden. Sie kommen aus armen Ländern nach Deutschland, manche mit einem Visum, das irgendwann abläuft. Wenn es zu Hause keine Perspektive gibt, dann bleiben die Menschen und verdingen sich im sogenannten informellen Sektor.
Sie haben keine Krankenkasse, keine Versicherung, keinen Arbeitsschutz, sind vom Gutdünken ihrer Chefs abhängig. Was vom Lohn übrig bleibt, schicken viele ihrer Familie. Kaum besser geht es den EU-Bürgern mit Gewerbeschein, meist Osteuropäer, die sich als Tagelöhner durchschlagen.

Für die einen: Niedriglohn, für die anderen: "Job-Wunder"

Auch mit offiziell bezahlter Arbeit bleiben in Deutschland viele Leute arm, warnt die Internationale Arbeitsorganisation ILO, eine UN-Behörde. Die ILO kritisiert, dass jeder vierte Beschäftigte nur einen Kurzzeitvertrag hat, in Teilzeit arbeitet oder sich mit einem Minijob oder Zeitarbeit durchschlagen muss. Die Löhne lägen dann im Schnitt um ein Drittel unter denen in normalen Beschäftigungsverhältnissen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt das Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Demzufolge arbeiten hierzulande knapp acht Millionen zu einem Niedriglohn von unter 9,15 Euro brutto pro Stunde. Prekär.

Manche Politiker und Medien feiern diesen Zustand als „Job-Wunder“. Die Bundesregierung will die Lohngrenze für Mini­jobs erhöhen und den Sektor ausbauen. Die Regierung meint, so gelinge mehr Arbeitnehmern der Sprung in den „ersten Arbeitsmarkt“. Teile der Opposition, die Gewerkschaften und einige Forscher befürchten hingegen, der Ausbau des Niedrig­lohnsektors führe zum Abbau sozialver­sicherungspflichtiger Stellen.