Ein Ereignis von Weltrang
Das Reformationsjubiläum 2017, ein Ereignis von Weltrang. Da hat sich die Kirche viel vorgenommen.
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
06.11.2012

 

Es klingt so selbstverständlich, und doch ist es eine Grundfrage, die über die Zukunft der Kirche entscheidet. Ist die Kirche für alle da oder nur für die eigenen Leute? Auf die Grundfrage, für wen sind wir da?, stößt die evangelische Kirche mit aller Wucht, wann immer sie sich mit den Vorbereitungen des Reformationsjubiläums 2017 befasst. Der 500. Jahrestag des Thesenanschlages Martin Luthers an der Schlosskirche von Wittenberg, mit denen der Reformator den Kampf gegen den Ablasshandel aufnahm, soll ein weltweites Fest werden: „ein Ereignis von Weltrang“. Das hat Präses Katrin Göring-Eckardt, die Vorsitzende der EKD-Synode, vor diesem evangelischen Kirchenparlament, in Timmendorfer Strand sehr deutlich erklärt.  

"Man kann auf zwei Seiten vom Pferd fallen"

Es ist nicht gerade eine verbreitete Übung in der evangelischen Kirche, mit ihren Stärken zu protzen. Und sie tut gut daran, dies auf die wirklich wichtigen Anlässe zu begrenzen. Ein solcher ist das Jubiläum 2017. Die evangelischen Aktivitäten vor und in diesem Jahr sollen Christen wie Konfessionslose erreichen. Sie sollen die Anliegen der Reformation und ihre bleibende Bedeutung international zum Leuchten bringen und zugleich neue Bereitschaft zum Glauben wecken, nicht nur den evangelischen. Dass es seit und im Gefolge der Reformation auch zu Epochen massiver Gewalt und Schmähungen von Juden, Türken oder Hexen kam, will die Kirche trotz Jubiläum nicht verschweigen. Wo letztlich der richtige Weg zwischen „fröhlichem Selbstbewusstsein und demütiger Anerkennung der Schatten der Reformation“ verläuft (Propst Horst Gorski), ist noch nicht ganz klar. Die Ausgangslage beschrieb Gorski mit den Worten: „Man kann auf zwei Seiten vom Pferd fallen“.

Die Grundausrichtung des Jubiläum scheint klar. Nur wie macht man das – ein solches Ereignis von Weltrang zu begehen? Was macht man zum Beispiel mit den Katholiken? Wollen sie sich gemeinsam mit den Protestanten auf ein Jubiläum, also ein großes Fest, einlassen, oder versuchen sie weiter, diesen Anlass herunterzuspielen, Der katholische Ökumenebischof ist schon dabei, indem er wiederholt statt von einem Jubiläum von einem „Gedenken“ spricht. Da ist Alois Glück, Präsident der katholischen Laienbewegung, analytisch und strategisch viel stärker. Christen und Nichtchristen werden aufmerksam registrieren, wie die beiden Kirchen das Jubiläum begehen“, sagte er vor der Synode. Es gebe auf Dauer nicht mehr die „unhinterfragte, geschichtlich gewachsene Bedeutung“ der Kirche, sagte er. Das Jubiläum: eine Chance für beide Kirchen – oder eben keine. Es gibt keine Profilierung der Konfessionen gegeneinander, sondern nur miteinander. Diese Einsicht setzt sich mit Macht durch. Das bedeutet aber auch, dass die katholische Amtskirche sich ernsthaft auf die evangelische Seite einlassen muss.

"Kein nationales Lutherjubiläum, sondern ein internationales Reformationsfest"

Das Reformationsjubiläum hat durch die Synodentagung einen mächtigen Schub bekommen. Sie sollte besonders die internationale und ökumenische Öffnung der Vorbereitungen vorantreiben. „Es muss das Große sein“, hatte Göring-Eckardt dort formuliert. Groß ist die Reformation schon durch die Jahrhunderte geworden, institutionell in den evangelischen Kirchen, aber geistig weit darüber hinaus. Sie trug zur Aufklärung bei, sie schuf ein breites Bildungswesen, schrieb Musikgeschichte. Groß soll das Jubiläum auch im Blick auf die internationale Ausrichtung sein. Der Schweizer Theologe Thomas Wipf, ehemaliger Präsident der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), wünscht sich 2017 „ kein nationales Lutherjubiläum, sondern ein internationales Reformationsfest.“ Die europäischen evangelischen Kirchen werden sich gemeinsam auf die Suche nach Orten der Reformation machen,  Womit er zugleich deutlich machte: Neben Martin Luther gab es viele weitere Reformatoren von großer Wirkung. Der Thesenanschlag war aus deutscher Sicht eine bahnbrechende Erfahrung, in anderen Ländern gab es andere Reformationsauslöser. „Wir wollen die Reformation nicht in Wittenberg einsperren“, mahnte er.

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem Kirchenparlament dafür votierte, dass das Jubiläum auch eine missionarische Komponente haben („wenn man das heute so sagen darf“), war sie der Zustimmung der Kirche sicher. Und so wird es wohl kommen. Ein Fest der 300 000 auf den Elbe-Wiesen von Wittenberg schwebt der Kirche für den Reformationstag 2017 vor. Der Deutsche Evangelische Kirchentag, in Großveranstaltungen erfahren, will dabei helfen. Grund zu feiern haben alle, Christen wie Nichtchristen. Weil sie alle von den Früchten der Reformation leben. Dann wird sich wieder die Einsicht der Reformatoren als tragend erweisen: Kirche ist kein Selbstzweck.

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E. Kopp schreibt:

„Grund zu feiern haben alle, Christen wie Nichtchristen. Weil sie alle von den Früchten der Reformation leben. Dann wird sich wieder die Einsicht der Reformatoren als tragend erweisen: Kirche ist kein Selbstzweck.“

Wie die Vertreter der kath. Amtskirche mit dem Fest umgehen sollten, dazu möchte ich mich in dem folgenden Beitrag äußern.

Zum Ökumenekonzept einer „Einheit in versöhnter Verschiedenheit“ gibt es keine Alternative!

Der ökumenische Dialog hat sich an zwei entscheidenden Punkten festgefahren:

• Gegenseitige Anerkennung der Kirchen Jesu Christi

• Einladung zum und Anerkennung des eucharistischen Gastmahles

Für konfessionsverschiedene Paare ist es ein unerträglicher Zustand, dass zwar massenhaft Ehepartner verschiedener Konfessionen wechselseitig zu den Gottesdiensten gehen und im Allgemeinen auch am Mahl teilnehmen, aber die kath. Kirche dieses Selbstverständliche nach wie vor nicht erlaubt. In seinem öffentlichen Brief zum 5. Jahrestag des Benedikt-Pontifikats mahnt H. Küng zu Recht die Bischöfe, sich nicht immer nur zu kritiklosen Claqueuren vom Papst degradieren zu lassen, sondern sich auch – wie es zunächst in den Konzilspapieren verankert war und im CIC vom Papst wieder gestrichen wurden – auch als Stellvertreter Gottes zu empfinden und mutig – dem Beispiel des Paulus beim Jerusalemer Konzil nachahmende – dem heutigen Petrus unmissverständlich zu widersprechen. Denn die Bischöfe und die unzähligen Christen, die auf ein gemeinsames Herrenmahl warten, können den Papst und seine das ökumenische Mahl verhindernde Entourage auf nichts „Heiligeres“ hinweisen, als auf das Neue Testament; denn dort finden sich:

• Berichte von der Einsetzung und der frühen Praxis des Heiligen Abendmahls in Anknüpfung an Pesach mit dem „Brot der Freiheit“ (Mk 14,12-25)

• in der Apostelgeschichte 3, 42-47

• und im ersten Korintherbrief des Apostels Paulus (11, 17-34)

Notwendig ist es, alle Texte im Zusammenhang zu lesen, und zwar auch in Verbindung mit der Fußwaschung, dem Brotbrechen und dem Liebesgebot sowie dem Weinstock-Reben-Vergleich (Joh 12, 33-35 ; 15, 1-17)

All diese Texte machen uns Menschen im 21. Jahrhundert sehr deutlich, dass zwischen der kath. Kirche und den Kirchen der Reformation das einander Verbindende deutlich überwiegt und das noch Trennende keine Spaltung mehr rechtfertigt. Eine solche von vielen Theologen konfessionsübergreifend vertretene Meinung setzt allerdings voraus, dass das fatale Schreiben des Papstes (Dominus Jesus) aus dem Jahre 2000 zurückgezogen wird und die anmaßende Bezeichnung der Kirchen der Reformation als „kirchliche Gemeinschaften“ auf dem Müllhaufen der Kirchengeschichte entsorgt wird.

Der Leitsatz für jedes ökumenische Gespräch der christlichen Kirchen untereinander kann nur noch lauten : Extra christum, nulla salus! Die katholische Kirche muss endlich auf jede Depotenzierung der Reformationskirchen verzichten und sich von ihrem Grundsatz : Extra ecclesiam, nulla salus und sich zugleich damit einhergehend von ihrer Verweigerungshaltung eines auf Augenhöhe erforderlichen Dialogs verabschieden. Wer sich von nicht mehr von der Bibel zu legitimierenden Blockade-, Macht- und Überlegenheitsdenken verabschieden kann, der muss sich ernsthaft fragen lassen, ob er ein „Warten auf Godot“ zur Gesprächsleitlinie werden lassen möchte.

Der Braunschweiger Landesbischof Weber schildert aus evangelischer Perspektive nach meiner Ansicht zutreffend, wie weite Kreise der kath. Kirche sich Ökumene vorstellen:

„Die katholische Kirche ist bereit, ihre Tür zu vergrößern, damit auch der evangelische Schrank in ihr Haus passt.

Aber die Struktur des Hauses ist nach ihrer Überzeugung von Gott vorgegeben in der Gemeinschaft der Bischöfe als Nachfolger des Apostelkollegiums mit dem Papst als seinem Haupt. Und erst wenn über die Struktur des Hauses, also über das Verständnis von Kirche, Einheit herrscht, dann ist auch die gemeinsame Feier des Abendmahles als Ausdruck dieser Gemeinschaft möglich. Die Abendmahlsgemeinschaft ist hier also Endpunkt einer ökumenischen Entwicklung.“

Hinweisen möchte ich auf die vor einigen Jahren veröffentlichte Expertise der drei Ökumenischen Theologischen Institute in Straßburg, Tübingen und Bensheim, die in ihrer gemeinsamen Erklärung „Abendmahlsgemeinschaft ist möglich“ darauf hinweisen, dass auch die außerhalb der katholischen Kirche Getauften „durch den Glauben in der Taufe gerechtfertigt und dem Leib Christi eingegliedert“ sind. Die Fachtheologen sehen es als selbstverständlich an, „die Taufe als Voraussetzung für den Zugang zum Abendmahl zu verstehen. In der Taufe wie im Abendmahl geht es um den Leib Christi, wenn auch in verschiedener Weise.“ Unter Anerkennung dieser Prämisse decken die Ökumeniker einen Widerspruch innerhalb der katholischen Kirche auf, denn sie stellen zu Recht die Frage, wieso die anerkanntermaßen durch die Taufe zum „Leib Christi“ Gehörenden nicht eben genau an der Abendmahlsfeier teilnehmen dürfen, durch die ja gerade alle Christen zum „einen Leib Christi“ werden.

Im 1964 veröffentlichten Konzilsdokument Lumen Gentium (LG) 8,2 heißt es : „Dies ist die einzige Kirche Christi, die wir im Glaubensbekenntnis als die eine, heilige, katholische und apostolische bekennen. … Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfasst und geordnet, ist verwirklicht („subsistit in“) in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird. Diese Aussage ist im Konzil an die Stelle der in einem früheren Entwurf vorgesehenen Formulierung getreten, die katholische Kirche des Glaubensbekenntnisses sei (!) die katholische Kirche. Bis zum 2. Vatikanum hatte es nämlich geheißen, die Kirche Jesu Christ „ist“ die römisch-katholische Kirche. Man müsste das einschlägige lateinische Verb „est“ so übersetzen : „ist nur“ die katholische Kirche.

Kardinal Ratzinger erklärte in einem Interview für die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. September 2000 das „subsistet in“ dahingehend, dass zwar das Sein der Kirche umfassender sei als die römisch-katholische Kirche, aber sie habe erst in ihr „in einzigartiger Weise den Charakter eines eigenen Subjektes.“ Ist es eine exegetische Spitzfindigkeit, Ratzinger so zu interpretieren, als wollte er sagen, dass die katholische Kirche des Glaubensbekenntnisses allein in der römisch-katholischen Kirche subsistiere? Von einer solchen alleinigen Subsistenz ist in der Konzilsaussage jedoch nicht die Rede. Diese ist positiv formuliert und besagt, dass in der römisch-katholischen Kirche die eine Kirche Christi voll gegenwärtig ist. Es wird weder ausgeschlossen noch behauptet, dass die Kirche vielleicht auch in anderen christlichen Glaubensgemeinschaften ebenfalls ganz gegenwärtig ist. Diese Frage bleibt offen bzw. unbeantwortet.

Ein ausschließende Deutung, wonach die Kirche Christi allein in der römisch-katholischen Kirche ein konkretes Subjekt sei, erscheint folglich mit dem Wortlaut von LG 8,2 unvereinbar zu sein ; denn das „subsistet in“ lässt nach LG in der freien Übersetzung nur folgende Sinndeutung zu : Die wahre Kirche lebt in der römisch-katholischen Kirche, aber (vielleicht) nicht nur dort.

Unter ökumenischen Aspekten ist dieses Dokument so überflüssig wie ein Kropf; die Neuauflage von „Dominus Jesus“ aus dem Jahre 2000 wird die Ökumene-Gespräche auf der Ebene der Hierarchie erheblich erschweren ; unter den nun erneut von Rom verursachten Verletzungen leiden nicht nur die Gläubigen der Reformationskirchen , sondern auch viele Christen innerhalb der katholischen Kirche. Doch Rom wird zur Kenntnis nehmen müssen, dass - trotz aller Sperrfeuer - der ökumenische Geist an der Basis der Christenheit und in den Gemeinden nicht nur „subsistiert“, sondern lebt und sich nicht mehr wegdekretieren lässt – egal wie viele „römische Papiere“ die Öffentlichkeit noch erreichen werden.

Wenn also durch die Taufe auch alle evangelische Christen zum „Leib Christi“ gehören, so bleibt dann doch daraus zu folgern, dass die katholische Kirche nicht für sich das Recht in Anspruch nehmen darf, dass „die Kirche als Sakrament des Heils in Christus geschichtlich (allein) voll verwirklicht (ist) in der katholischen Kirche“ (Müller). Gewiss bewegt sich Müller hier auf der Argumentationsebene von Papst Johannes Paul II., der in gleich skandalöser Argumentation die evangelischen Glaubensbrüder im Jahre 2000 in der Erklärung „Dominus Jesus“ ausgrenzte mit der Aussage, dass die Kirche Jesu Christi im vollen Sinne nur in der katholischen Kirche subsistiere und die Kirchen der Reformation nicht Kirchen im eigentlichen Sinne seien.

Im Gegensatz zur Dominus-Jesus-Aussage des Papstes bleibt jedoch festzustellen, dass durch die Taufe alle Christen Anteil an der „einen“ Kirche Christi haben und dass durch die gegenseitige Anerkennung der Taufe alle Christen zu der einzigen Kirche Jesu Christi gehören. Nach 1. Korinther 12,13 ist die Taufe Eingliederung in den Leib Christi und nicht nur in eine Konfessionskirche. Nach dem Ökumenismusdekret des 2. Vatikanischen Konzils begründet die Taufe „ein sakramentales Band der Einheit“ zwischen den getrennten Christen (Nr. 22). Die katholische Kirche muss sich daran erinnern lassen, dass die Grenzen des Leibes Christi weiter sind als die Grenzen der eigenen Kirche! Die sich daraus für die ökumenischen Theologen zu stellende Frage stößt auf mein bejahendes Verständnis und meine uneingeschränkte Zustimmung : „Kann dann aber nichtkatholischen Christen der Zugang zum Abendmahl in der katholischen Kirche verweigert werden?“

Der ehemalige Generalsekretär des Weltrats der Kirchen, Konrad Raiser, fordert zu Recht, die Taufe als eine lebenslange Gemeinschaft aller Christen anzusehen und diese als unverfügbare und unverlierbare Gabe Gottes zu betrachten. Der sich für Raiser daraus ergebenden Schlussfolgerung möchte ich mit allem Nachdruck zustimmen ; der evangelische Theologe stellt zunächst fest, dass die Einheit der Christen nicht von oben, sondern von unten, also von den Gläubigen, heranwachsen müsse und sich dann nicht mehr diejenigen rechtfertigen müssen, „welche die Gemeinschaft im Leben und im Gottesdienst, unter Einschluss der Eucharistie, vertiefen wollen, sondern diejenigen, die eine solche Vertiefung verhindern.“

Katholische Christen werden verinnerlichen müssen, dass sie nicht Angehörige einer Papstkirche sind, sondern Mitglieder der Kirche Jesu Christi, zu der der Papst gehört, der darin den Dienst und das Amt des Petrus wahrnimmt. Die Zeiten, in denen der Papst wie im Mittelalter weltliche Macht und Herrschaft besaß, waren nicht Höhepunkte, sondern Tiefpunkte der Papst- und Kirchengeschichte.

„Jesu Tisch kannte keine Zulassungsprobleme außer der Frage, ob einer sich treffen ließ von der Liebe Jesu.“(Ernst Lange) Für die katholische Kirche ist es somit unzulässig und pastoral problematisch, wenn sie sich auf den Willen Jesu oder die ungebrochene Tradition der Kirche beruft, um ökumenisches Miteinander bei der Abendmahls- oder Eucharistiefeier zu unterbinden. Entscheidender Maßstab für Jesu Nachfolger muss es sein, dass Menschen sich Seiner erinnern, Seine Gegenwart in Wort und Sakrament feiern und versuchen, Seine Botschaft in der Welt erfahrbar werden zu lassen.

Es gibt zur Ökumene keine Alternative. Jedoch kann keine Kirche einfach das Erbe ihrer Väter und Mütter im Glauben aufgeben. Im Bereich der Ökumene geht es nicht um einen Weg aus der Wahrheit heraus, sondern um einen Weg tiefer in sie hinein. Die von so vielen Christen herbeigesehnte Ökumene kann nur bedeuten, dass die angestrebte Einheit eben nicht darin besteht, dass eine Kirche ihre Eigenheiten aufgibt, dass Ökumene keine „Gleichmacherei“ anstrebt, sondern dass beide Kirchen, beide Traditionen sich gegenseitig bereichern können, dass beide sich in ihrer Verschiedenheit akzeptieren und schätzen und als „vollgültig“ anerkennen, dass beide darauf verzichten, sich als Besitzer der alleinigen Wahrheit zu wähnen und sich stattdessen als Suchende, als auf dem Weg Seiende verstehen.

Die Überzeugung in der katholischen Kirche, die „einzig wahre, katholische und apostolische Kirche“ zu sein, die geleitet wird vom „Stellvertreter Jesu Christi“ und ausschließlich repräsentiert wird von Amtsträgern, die „in persona Christi“ agieren, bilden eine ungeheuere Barriere für eine Ökumene, die Gleichwertigkeit der Partner zur Voraussetzung hat. Wenn auch viele Christen der reformierten Kirchen mittlerweile einen universalkirchlichen Petrusdienst als menschliche Einrichtung (iure humano) für durchaus nützlich ansehen („Communio mit Petrus“), so wird die katholische Kirche zur Kenntnis nehmen müssen, dass sie Abschied nehmen muss von der Vorstellung einer „Communio unter Petrus“.

Es ist doch theologisch unzulässig und pastoral problematisch, wenn sich die katholische Kirche auf den Willen Jesu oder die ungebrochene Tradition der Kirche beruft, um ökumenisches Miteinander bei der Abendmahls- und Eucharistiefeier zu unterbinden. Entscheidend dagegen ist für die Nachfolger Jesu, dass Menschen sich seiner erinnern, seine Gegenwart in Wort und Sakrament feiern und versuchen, seine Botschaft in der Welt erfahrbar werden zu lassen.

Die wesentlichen Merkmale der Kirche sind somit Wortverkündigung und Sakrament. So heißt es auch in der Confessio Augustana:

"Est autem ecclesia congregatio sanctorum, in qua evangelium pure docetur et recte administrantur sacramenta."

Die Kirche ist also die Versammlung der Gläubigen, in der das Evangelium rein gelehrt und die Sakramente richtig verwaltet werden. Auf dieser Grundlage ist eine Vielfalt von Kirchenverständnis möglich.

Millionen Christen, die auf die Kraft des Heiligen Geistes bauen, beten jeden Tag darum, dass bei allen Beteiligten, die für den Bau des ökumenischen Hauses Verantwortung tragen , die Einsicht darin wachsen möge, dass selbstverständlich dieses Haus von unterschiedlichen Baustilen und verschiedensten Formen der Innenausstattung geprägt sein muss und dass vor allem in diesem Haus Platz für unterschiedliche Bewohner sein muss, die sich jedoch in einem einig sind : Sie verdanken sich Jesus von Nazareth, bekennen ihn in ihrer Mitte als in Wort und Sakrament gegenwärtig und versuchen, die Botschaft Jesu von der befreienden Nähe Gottes den Menschen nahe zu bringen.

Kardinal Walter Kasper hat das Ziel der Ökumene wie folgt formuliert : „Das Ziel der Ökumene ist die sichtbare Einheit, die keine uniformistische Einheitskirche ist, sondern Raum gibt für die legitime Vielfalt der Geistesgaben, Traditionen, Spiritualität und Kulturen.“ Einer solchen Formulierung kann man nur zustimmen.

Keine Kirche einfach das Erbe ihrer Väter und Mütter im Glauben aufgeben. Im Bereich der Ökumene geht es nicht um einen Weg aus der Wahrheit heraus, sondern um einen Weg tiefer in sie hinein. Die von so vielen Christen herbeigesehnte Ökumene kann nur bedeuten, dass die angestrebte Einheit eben nicht darin besteht, dass eine Kirche ihre Eigenheiten aufgibt, dass Ökumene keine „Gleichmacherei“ anstrebt, sondern dass beide Kirchen, beide Traditionen sich gegenseitig bereichern können, dass beide sich in ihrer Verschiedenheit akzeptieren und schätzen und als „vollgültig“ anerkennen, dass beide darauf verzichten, sich als Besitzer der alleinigen Wahrheit zu wähnen und sich stattdessen als Suchende, als auf dem Weg Seiende verstehen.

Ökumene will kein Verarmungsprozess sein, bei dem man sich auf den geringsten gemeinsamen Nenner einigt; Ökumene will und muss als ein Lern- und Mehrungsprozess verstanden werden, bei dem alle Beteiligten voneinander lernen. Keine Konfession darf und soll ihre Identität aufgeben müssen; zu der Vorstellung von einer „Einheit in versöhnter Verschiedenheit“ gibt es, wenn alle Beteiligten wahrhaftig und ernsthaft den Gedanken der Ökumene verwirklichen möchten, keine Alternative!

Paul Haverkamp, Lingen

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