Dirk von Nayhauß
In der Krise helfen Hoffnung und Gewissheit
Sonne tanken können, wenn es unten nieselt: Deshalb wünscht sich Frank-Walter Steinmeier einen Pilotenschein
Dirk von Nayhauß
22.06.2012

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Am Sonntagmorgen, mit meiner kleinen Familie, wenn ein bisschen Zeit füreinander ist und wir reden und lachen und Pläne machen. Oder dort, wo ich dem Himmel näher bin: Wo ich irgendwo oben auf dem Berg oder auf einer Berghütte ankomme und mich vor Erschöpfung fallen lasse. Ich bin 2011 mit zwei Freunden quer über die Alpen gewandert, vom Königssee bis zu den Drei Zinnen in Südtirol. Wir haben in Berghütten geschlafen, sind bei Hagel, Schnee und Regen am Großglockner vorbei. Das ist Glück! Das kann nur nachempfinden, der es selbst versucht. 

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Unverstellt bleiben, auch in der Ansprache von Angesicht zu Angesicht, ohne Hinterhalt und vordergründige Anbiederei. Wobei Anbiederei eine fast unvermeidbare Begleiterscheinung von Großorganisationen ist, zu denen ein Theater ebenso gehört wie eine Verwaltung oder ein Parlament. Denn in Großorganisationen hängen Karrieren nicht nur von eigenen Leistungen ab, sondern auch von den Einschätzungen anderer. Von Kindern kann man auch lernen, dumme Fragen zu stellen. Oder wenigstens Verständnis dafür zu haben, dass es sogenante dumme Fragen gibt und dass sie wichtig sind. 

An welchen Gott glauben Sie?

Am liebsten an den gütigen Gott mit Rauschebart, mit Thron auf weißer Wolke, aber so gern ich mich an diese Vorstellung erinnere, so gründlich verliert sie sich im Laufe eines Lebens. Wenn ich auf die letzten vier Jahrzehnte zurückschaue, gab es Zeiten, in denen mir das Wort der Bibel ferner stand als heute. Wenn das wieder intensiver geworden ist, dann hängt das damit zusammen, dass im Laufe eines Lebens Gewissheit wächst über die Wichtigkeit eines Gottes, der stärkt und schützt, der Orientierung und Halt gibt und der verzeiht. Ich kann nicht berichten von Erweckungs- oder Wiedererweckungserlebnissen. Es ist vielleicht auch Er­gebnis eines Lebens, in dem das Leichte und das Spielerische zurückgetreten ist und viel Verantwortung und Entscheidung verlangt war. Da, wo das eigene Leben Grenzsituationen erfährt – besonders glückliche oder besonders besorgniserregende – da spürt man stärker, woran man glaubt. Ich habe mal eine Bibel­arbeit gemacht über Zuversicht: Mit der christlichen Zuversicht ist der Weg aus schwierigen Situationen nach vorne offen.

Hat das Leben einen Sinn?

Ich hoffe, dass ich lange Zeit Gelegenheit haben werde, ein glücklicher Mensch zu sein. Mich nicht zu verbiegen und bei allen Erwartungen so weit wie möglich ich selbst zu bleiben. Freundschaft zu halten mit den Menschen, die mir wichtig sind. Kraft und Ausdauer zu haben, um die Welt, in der wir leben, ein kleines bisschen verbessern zu helfen. Das Leben ist ein Geschenk und gleichzeitig die Aufgabe, es sinnvoll auszufüllen.

Muss man den Tod fürchten?

Wer streng nach dem Wort der Bibel lebt, fürchtet ihn vielleicht nicht. Ich fürchte ihn für mich, aber mehr noch für diejenigen, die mir am Herzen liegen und von denen mir der Abschied schwerfiele. 2010 habe ich meiner Frau eine Niere gespendet. Ich habe mich oft gefragt, ob diese Erfahrung meine Haltung zum Tod verändert hat. Ich glaube, im Ergebnis nicht zum Tod, aber zum Leben. Wir waren damals seit mehr als 20 Jahren zusammen. Es war die erste Situation, in der uns richtig bewusst wurde, dass die Zeitspanne, die wir miteinander haben, nicht unendlich ist. 

Welchen Traum möchten Sie sich noch unbedingt erfüllen?

Ich würde gern selbst fliegen können. Mich reizt der Blick von oben auf die Dinge. Und wenn es unten nieselt, mal eben über den Wolken ein bisschen Sonne tanken! Aber wahrscheinlich bin ich schon zu alt, um noch einen Pilotenschein zu machen.

Was hilft in der Krise?

Erstens die Gewissheit, dass es Ausweglosigkeit nicht gibt. Zweitens die Hoffnung, in der Krise nicht allein zu sein. Und drittens die Bereitschaft, sich denen zu öffnen, die helfen wollen. Es wäre übermenschlich, Situationen wie die Bundestagswahl 2009 nicht als Krise zu erfahren, oder sogar bedenklich, wenn man eine solche Niederlage nicht spürte. Die SPD kam bei den Zweitstimmen nur auf 23 Prozent. Da braucht man einige Zeit, um wieder mit sich ins Reine zu kommen und sein Selbstbewusstsein wiederzufinden.

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Herr Steinmeier,
wie gut, dass es noch eine zweite Kraft - nach Andrea Nahles - in der SPD gibt, die Gott vertraut. Ich befürchte jedoch, die 23% Stimmen bei der letzten Wahl verzeiht Gott Ihnen nicht. Was haben Sie nur falsch gemacht?
Haben Sie Helmut Schmidt einmal gefragt?
Geht es nicht wesentlich um die Werte der Aufklärung, persönlicher Freiheit jedes einzelnen Menschen und dem demokratischen Sozialstaat? Natürlich kann Gott auch dabei helfen diese Werte in den Wirren um die EU hoch zu halten. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und hoffe, dass Sie nicht zur CDU konvertieren.

Hermann Goldkamp

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