Dirk von Nayhauß
"Ich beneide alle, die an Gott glauben"
Zombis angucken, Horrorfilme – dabei fühlt sich der Schauspieler Christian Ulmen sehr lebendig. Und wenn er mit seinem Sohn spielt
Dirk von Nayhauß
19.03.2012

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Zuletzt, als ich eine Folge von „The Walking Dead“ sah. Geniale Horrorserie, und obwohl ich nie ein Freund von Zombie-Filmen war, kann ich mich hier nicht entziehen, bin regelmäßig herrlich geschockt und mitgenommen von dem, was ich da sehe. Auch wenn ich mit so etwas Unschuldigem wie meinem Sohn unterwegs bin, ist da Lebendigkeit. Wenn ich ihn zwanzig Mal an einer Plastiknudel durchs Wasser ziehen musste, fix und fertig bin und seiner einundzwanzigsten Aufforderung trotzdem nicht widersprechen kann. Oder wenn wir zusammen Schuhe kaufen. Dann ist völlig wurscht, ob das Handy klingelt oder eine dringende SMS reinkommt, dann zählt nur die Frage, ob sein großer Zeh genug Platz zum Wackeln hat.

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Natürlich gar nichts. Die Kitschantwort ist ja immer: Wir können von Kindern Gelassenheit lernen. Wenn ich mir keinen Kopf darum machen müsste, womit ich Miete und Schulgeld verdienen soll, und mir alle drei Stunden einer das Fläschchen gäbe, dann wäre ich auch total gelassen. Finde ich jetzt nicht so ein Riesenkunststück von den Kleinen. Aber: Einen ganzen Nachmittag lang das Spiel „nicht auf die Linien der Bürgersteigplatten treten“ spielen, das würde keiner machen, der keine Kinder hat. Das mache ich auch nur, wenn ich mit meinem Sohn unterwegs bin. Solche Kinder-Inspiration ist durch absolut nichts zu ersetzen und echte Einlassung darauf das Allertollste. 

An welchen Gott glauben Sie?

Ich beneide alle, die an Gott glauben. Das würde ich wirklich gern können. Leider schaffe ich es aber nicht. Ich brauche Beweise. Ich würde gerne wissen, ob die Zehn Gebote wirklich von Gott kommen oder ob der Moses sich die selbst ausgedacht hat. Andererseits bin ich auch kein Atheist, denn es gibt auch keinen Beweis dafür, dass es Gott nicht gibt. Gott ist möglich. Und so irrlichtere ich in Religionsfragen herum und finde das eigentlich ganz okay so.

Muss man den Tod fürchten?

Ich habe da total Angst vor. Mein Tod, der meiner Mitmenschen – furchtbar. Ganz selten und mit äußerster Konzentration schaffe ich es, überzeugt zu denken: Tod ist voll okay, das ist der Kreislauf der Dinge, wenn ich weg bin, bin ich weg, jeder muss gehen, genieße einfach die Zeit, in der alle noch da sind. Dieser gedankliche Zustand des Friedens mit dem Tod hält bei mir immer so drei, vier Minuten, dann geht mir die Endlichkeit wieder ungeheuer auf den Sack. Und auch die Ungewissheit. Das ist wie mit der Frage nach Gott: Ich hätte gern Gewissheit. Bei allem. Ich habe auch fünfzehn Versicherungen abgeschlossen auf alle möglichen Krankheiten. Ich hätte gern bei allem eine Absicherung, und so möchte ich bitte auch wissen, was nach dem Tod passiert. Dinge, die ich nicht wissen kann, machen mich fertig.

Hat das Leben einen Sinn?

Mir ist es jedenfalls nie sinnlos erschienen. Alles hat sich immer ganz sinnvoll gefügt. Irgendwelcher Mist und schaurige Erlebnisse helfen dir als Schauspieler ja später, bestimmte Momente glaubwürdiger abbilden zu können. Mit der Frage nach dem tiefen Sinn des Lebens allerdings beschäftige ich mich sehr selten.

Welchen Traum möchten Sie sich noch unbedingt erfüllen?

Als 14-Jähriger hätte ich gesagt: Ich möchte gerne in einem Kinofilm spielen und anschließend beim Einkaufen erkannt werden. Am liebsten von Frauen. Heute finde ich es eher anstrengend, wenn das passiert. Aber trotzdem: Ganz viel von dem, was ich mir in der Schulzeit erträumt habe, ist wahr geworden. Ich werde niemals im Leben so was sagen wie: Ich bin angekommen. Aber ich lebe seit ziemlich langer Zeit den Traum, den ich als sehr junger Mensch hatte.

Wie gehen Sie mit Schuldgefühlen um?

Ich bin ein guter Entschuldiger. Ich entledige mich meiner Schuld, indem ich um Verzeihung bitte. Ansonsten laufe ich mit einem schlechten Gewissen herum, und das nervt mich wahnsinnig. Es geht ja auch darum zu sagen: Das war meine Schuld – und auf diese Weise Verantwortung zu übernehmen, damit es dann weitergehen kann.

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