Dirk von Nayhauß
Eine Kraft spüren
Nach dem Tod hätte die Schauspielerin gern noch ein paar Minuten, um ihrem Freund zu erzählen, wie abgefahren das da oben ist
Dirk von Nayhauß
20.01.2011

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?
Wenn ich mich in einer Rolle selbst vergessen kann und hinterher sozusagen aufwache und merke: Ich hatte ein paar ­Millimeter vom Boden abgehoben – das ist traumhaft, da fühle ich mich bis zum Überschäumen lebendig. Das passiert auch in lustigen Szenen, aber noch intensiver fühlt es sich an, wenn ich hochemotionale, tragische Momente spiele. Szenen, in denen ich fast weinen möchte. Wenn ich traurig bin, dann hilft es fast immer, wenn ich schwimmen gehe, wahnsinnig gern in einem der Berliner Waldseen. Wenn ich auf dem Rücken liege und über mir den Himmel und die Bäume sehe und die Vögel zwitschern höre, und neben mir taucht ein Haubentaucher auf – das ist traumhaft. Wenn die Ohren unter Wasser sind und der Sound der Welt ist weg, das liebe ich. Überhaupt ist das Schwimmen für mich die Heilung schlechthin. Schwimmen ist immer, wenn es mir nicht gutgeht, die Rettung.

Was können Erwachsene von Kindern lernen?
Das Bewusstsein, dass alles Wissen in uns verankert ist, dass wir mit sämtlichen notwendigen Informationen auf die Welt kommen. Diese Neugier, die Unschuld, den fröhlichen Umgang mit dem ­Leben! Einfach Spaß zu haben und sich über irgendwas schlappzulachen, das ist köstlich. Ich bin auf dem Land aufgewachsen und habe es genossen, durch die Landschaft zu stromern. Ich war laut und hibbelig und habe gerne Quatsch gemacht, für meine Lehrer war ich sicher unfassbar anstrengend. Auf der anderen Seite habe ich stundenlang gemalt oder mit Playmobil und Lego gespielt und dabei Kassetten gehört. Ich bin auch heute noch gern für mich allein, dann koche ich, höre Musik, gehe jeden Tag mit meinem Hund spazieren. Oder ich räume auf. Ich bin eine Chaotin und versuche, Ordnung in mein Leben zu bringen, indem ich noch mehr Unordnung schaffe und alles aus allen Schränken heraushole, um schließlich fast alles wieder darin zu verstauen, weil ich mich von kaum etwas trennen kann.

An welchen Gott glauben Sie?
Wenn es mir nicht so gutgeht, habe ich manchmal das Gefühl: Da ist eine Kraft, die mich begleitet. Dann kommt eine extreme Ruhe über mich. Ich spüre einen Trost und werde innerlich weich und warm. Alle Töne um mich herum verändern sich, und ich kann loslassen, weil ich das Gefühl habe: Da ist etwas, das extrem liebevoll und schön ist. Einige sagen Gott, andere Buddha, wieder andere Allah. Ich sage: wohlwollende Kräfte, die in uns und um uns sind. Zuweilen aber hadere ich und denke: Dort oben sitzt dieser Kerl und sagt: „’tschuldigung, ich bin komplett überfordert, ich kann mich gerade nicht darum kümmern, dass du dich ein bisschen traurig fühlst.“

Hat das Leben einen Sinn?
Wenn es einen Sinn gibt, dann ist es die Liebe. Liebe an und in allem. Sonst fällt mir nichts ein, was am Ende eine Art von Haltbarkeit oder Gültigkeit hätte. Ohne die Liebe wäre das Leben irgend­wie kariert statt geblümt. Und trotzdem fügen wir Menschen uns gegenseitig und uns selbst so unfassbar viele Schmerzen zu. Wieso wir dieser Verlockung verfallen, immer wieder Mist zu bauen, das geht nicht in meinen Schädel hinein. Die einzige Lösung wäre wohl, das Ego zu zerstören, weil es immer mit Selbstbereicherung zu tun hat. Vielleicht kann man es auch so sagen: Der Sinn des Lebens besteht darin, das Beste aus sich zu machen. Den Mut zu haben, seine eigenen dunklen Seiten anzuschauen.

Muss man den Tod fürchten?
Ich fürchte ihn, weil ich tierisch Lust habe, weiterzuleben. Und weil ich wirklich keine Lust habe, dass einer der Menschen, die mir nah sind, in nächster Zeit stirbt. Den Moment des Todes fürchte ich nicht, auf den bin ich eher gespannt. Ich hätte hinterher gerne noch ein paar Minuten, um meinem Freund zu er­zählen, wie abgefahren das ist und dass da oben tatsächlich James Dean und Elvis und meine Großeltern auf mich gewartet haben. Und wenn nichts kommt, bin ich auch nicht böse.

Welchen Traum möchten Sie sich noch unbedingt erfüllen?
Ich würde gerne erleben, wie es ist, nicht mehr auf der Suche zu sein nach dem Ort, an dem ich gerne längere Zeit bin. An dem mein Inneres eine Weile zur Ruhe kommt. Ein Haus mitten in der Natur, in dem ich sein kann und wo die Zeit anders tickt.

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