Vieles läuft doch gut, obwohl tausend Gründe dagegensprachen
Vieles läuft doch gut, obwohl tausend Gründe dafürsprachen, dass es schlecht ausgeht. Ein Wunder Gottes, sagt Christine Lieberknecht
Dirk von Nayhauß
07.10.2010

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Wenn ich Menschen begegne, wenn ich Probleme lösen und Konflikte ausgleichen kann. Ich diskutiere gern, wenn ich Argumente habe, die für mich absolut überzeugend und plausibel sind. Dann gehe ich gern in eine Auseinandersetzung, nur sachlich soll sie bleiben. Es ist doch vertane Zeit und Mühe, ständig zu gucken, was andere Leute oder auch andere Parteien Schlimmes machen. Aber ich sage schon meine Meinung, auch früher. Unter Klassenarbeiten habe ich mal geschrieben: "Der Aufsatz gibt die Meinung der Arbeiterklasse wieder, aber nicht die meine." Das war mein Weg zu zeigen: Es hapert nicht daran, dass ich nicht gelernt hätte, was ihr wollt, aber ich will mich nicht verbiegen.

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Aufgeschlossenheit, eine unbefangene Neugier, Fröhlichkeit, Traurigkeit, auch diese nüchternen, unverfälschten Fragen. Von meinen eigenen Kindern habe ich Gelassenheit und Toleranz gelernt. Ich habe meine Examensarbeit mit einem auf dem Schreibtisch tanzenden Töchterlein geschrieben, da wird man tolerant, da muss man lernen, wie man verschiedene Dinge unter einen Hut kriegt. Sie tapste über Blätter und Bücher, und ich musste mich konzentrieren. Es hat geklappt, die Arbeit wurde mit "sehr gut" bewertet. Ich selbst konnte als Kind recht trotzig sein, vor allem bei elterlichen Verboten. Ich habe ewig diskutiert und mein Recht trotzdem nicht gekriegt - meine Mutter war sehr streng.

An welchen Gott glauben Sie?

Immer wenn ich das Gefühl habe, es ist ein unglaubliches Wunder passiert, verbinde ich das mit der Nähe Gottes. Und wenn es nur ein Spinnennetz ist, in dem der Morgentau hängt - das ist so filigran, so wunderschön - das ist Glück, das ist die Nähe Gottes. Ich weiß nicht, wie man ohne Gott regiert, ohne mein Gottvertrauen könnte ich mein Amt gar nicht versehen. Ohne dieses Vertrauen, dass Gott mich den Tag über begleiten wird, und egal, was passiert, es wird der Abend erreicht. Vieles läuft doch so gut, obwohl tausend Gründe dafürsprechen, dass es schlecht laufen sollte, darin sehe ich häufig eine Fügung und manchmal ein kleines Wunder Gottes. Ich fühle mich "von guten Mächten wunderbar geborgen", um Dietrich Bonhoeffer zu zitieren - was für mich nie eine Frage der äußeren Umstände ist, sondern immer eine Frage des innerlichen Geborgenseins. Also auch in der Unfreiheit innerlich frei zu sein. Ich habe einen Leitspruch von Luther: "Ein Christenmensch ist ein freier Mensch und niemandem untertan im Glauben. Aber er ist ein dienstbarer Knecht und jedermann untertan in der Liebe."

Muss man den Tod fürchten?

Ich muss gestehen, dass ich im Moment kein persönliches Verhältnis dazu habe. Ich habe Menschen im Sterben begleitet, meine Großmutter hat ein begnadetes Alter von 105 Jahren erreicht, der habe ich die Hand fast bis den Tod gehalten, das war ein seliges Einschlafen. Dann gibt es Todesfälle, bei denen ich mich schon frage: "Warum?! " Wenn Eltern bei einem Verkehrsunfall sterben und Kinder zurückbleiben. Sicher zweifelt man dann auch, aber letztlich ist der Trost Gottes stärker. Was nach unserem Tod kommt? Da kann ich nur den biblischen Überlieferungen trauen und den Bildern, die ich als Vorgeschmack auf das Reich Gottes sehe. Ich weiß, dass es in der Tradition beide Möglichkeiten gibt: das Paradies oder eben auch die Hölle. Aber ich träume lieber von paradiesischen Zuständen, dem Angenehmen, der Heimkehr, wie es in unzähligen Liedern besungen wird. Sicher kann es auch Höllenqualen geben, davor ist niemand gefeit. Aber davon habe ich keine Bilder vor Augen, auch nicht im Traum.

Welche Liebe macht Sie glücklich?

Die Liebe, die glücklich macht, eifert nicht, sie trägt nicht nach, sie rechnet nicht auf, sie ist wirklich für den anderen da. Und ich glaube, diese Liebe erfährt man am ehesten, wenn man sie selbst gibt. Ich versuche das, indem ich möglichst vorbehaltlos mit anderen umgehe. Man muss die Menschen lieben, gerade wenn man Politik macht. Besonders intensiv habe ich das als Präsidentin des Thüringer Landtags mit 88 Abgeordneten aus drei verschiedenen Fraktionen erlebt - das war spannend. Viele waren bei mir, oft in ganz persönlichen Dingen. Ich habe versucht zu helfen, wo immer es möglich war. Das klingt vielleicht ein bisschen übertrieben, aber ich habe an jedem etwas gefunden, das mich interessiert hat und aufgrund dessen ich ein konstruktives Verhältnis aufbauen konnte. Zum Beispiel Ideen oder ein bestimmtes Projekt unterstützen.

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