"Skaten ist nur etwas für junge Leute."
"Skaten ist nur etwas für junge Leute. Und die brauchen Unterstützung gegenüber der totalen Dominanz der Alten". Ein Interview mit Rupert Neudeck
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
07.10.2010

chrismon: Wem nützt ein Projekt wie Skateistan?

Rupert Neudeck: Schülern, Lehrlingen, überhaupt der jungen Generation, die in Afghanistan weder einen eigenen Sport noch eigene Unterhaltung hat. Anfangs hielt ich das für eine Schnapsidee. Nun starten wir ein ähnliches Projekt in einem Gymnasium der Provinz Herat.

Was ändert Skateboarding an der Situation im Land?

Großflächig gar nichts. Aber es hilft, den sozialen Wandel etwas schneller hinzukriegen. Die jungen Leute brauchen Unterstützung gegenüber der totalen Dominanz der Alten. In Clans, Restaurants, Schulen, überall dürfen nur die Ältesten den Mund aufmachen. Da ist es vorzüglich, dass sich pubertäre Jugendliche mit Skateboards auszeichnen können und nicht bloß zu Hause herumsitzen. Und es ist gut, dass nur junge Leute lernen, Skateboard zu fahren. Die Erwachsenen können ihnen den Sport nicht wegnehmen. Wir würden uns dabei sämtliche Gräten brechen.

Was für eine Art von Entwicklungshilfe ist die richtige für Afghanistan?

Das Land leidet an Wasserknappheit. Wir müssen junge Leute mit dem Bau von Reservoirs beschäftigen. Das Land braucht eine verarbeitende Industrie in den Städten. Ich ärgere mich immer, wenn ich in Herat nur iranischen Käse, Joghurt, Butter und Milch konsumieren kann. All das könnten auch Afghanen herstellen. Und alle Regionen brauchen Schulen und Lehrer. Außerdem wäre es mein Traum, dass wir den Bauern im großen Maßstab Kleinkredite gewähren können, damit sie besser wirtschaften. 80 Prozent der Afghanen leben von der Landwirtschaft.

Wie sehen Ihre Projekte in Afghanistan aus?

Wir haben vor allem Schulen aufgebaut. Und eine Entbindungsklinik in der Provinz Herat, wo es bislang nur eine in der Hauptstadt gab. Die Klinik auf dem Land läuft hervorragend. Selbst nachts werden dort Notgeburten vorgenommen.

Wie wichtig ist die militärische Präsenz in Afghanistan?

Die ausländische ist zu stark und hat zur Unsicherheit beigetragen - durch die rücksichtslose Brutalität amerikanischer Soldaten und weil sich die NATO-Armeen einigeln und wie Besatzungsarmeen wirken. Die westlichen Generäle sollten überlegen, wie sie die Verantwortung in den nächsten zwölf bis 24 Monaten in die Hände der afghanischen Armee legen. Nur so entsteht Sicherheit.

Sie waren immer skeptisch gegenüber staatlicher Entwicklungshilfe. Auch in Afghanistan?

Leider ja. In Kabul hat sich ein Riesenbataillon von Beratern zusammengezogen, die teils tatsächlich 1000 Dollar pro Tag verdienen. Ich hätte mir von der deutschen Entwicklungspolitik gewünscht, dass sie mit den Afghanen zusammen großflächig die Wirtschaft im ländlichen Raum fördert. Das blieb bislang aus, aber es kann ja noch geschehen. Die Afghanen erwarten gerade von uns Deutschen unglaublich viel.

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