Das machen doch alle? Stimmt nicht
Lars P. Feld ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Heidelberg. Mit Friedrich Schneider von der Uni Linz untersucht er, wie ehrlich Steuerzahler sind
Tim Wegner
07.10.2010

chrismon: Wer betrügt den Staat mehr: die Reichen oder die Armen?

Lars P. Feld: Das hängt weniger vom Einkommen ab. Es gibt nicht nur die Reichen, die Kapital ins Ausland verschieben. Viele Bürger betrügen ein bisschen; sie weisen einen privaten Restaurantbesuch als Geschäftsessen aus, arbeiten ein paar Stunden schwarz oder melden die Haushaltshilfe nicht an. Erstaunlicher als der Steuerbetrug ist aber die gute Steuermoral.

Wie meinen Sie das?

Was die Ehrlichkeit angeht, liegt Deutschland unter den Industriestaaten im Mittelfeld. Dabei gibt es weniger Kontrollen als früher. Ein Beispiel: In den Achtzigern kam auf 200 Kleinunternehmen und Selbstständige ein Betriebsprüfer. Heute beträgt dieses Verhältnis 700 zu eins. Das Risiko, erwischt zu werden, ist eher gering.

Warum sind die Deutschen so brav?

Der Normalbürger hat ein ambivalentes Verhältnis zum Staat. Er ärgert sich zwar, wenn Steuergelder versickern, erkennt aber an, dass er alles in allem Vorteile dadurch hat, in diesem Staat zu leben.

Könnten die Steuerzahler noch zufriedener werden?

Ja, indem der Staat seine Bürger beteiligt. Wie in der Schweiz: In Kantonen, in denen es Referenden über konkrete Ausgabenprojekte gibt, werden weniger Steuern hinterzogen. Wenn man weiß, dass die Steuern in zwei Schulen oder ein Krankenhaus fließen, zahlt man lieber.

Hat die Religion einen Einfluss auf Steuermoral und Schwarzarbeit?

Früher ja. In katholisch geprägten Ländern gab es mehr Schwarzarbeit. Die Trennung von Kirche und Staat war hier weiter vorangeschritten als in protestantischen Gegenden. Hier empfand man Staat und Kirche als Einheit - und den Betrug am Staat als Sünde.

Und heute?

Gibt es diesen Zusammenhang nicht mehr. Einen anderen Effekt sehen wir aber immer noch: Egal ob katholisch oder evangelisch, häufige Kirchgänger haben eine höhere Steuermoral.

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