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Eine "naive Friedensfurie"
Sie kämpfte leidenschaftlich für eine Welt ohne Kriege
07.10.2010

Im Saal des Nobelinstituts in Christiania (heute Oslo) ist jeder Stuhl besetzt. Ganz vorne sitzt zum ersten Mal König Haakon VII., König des gerade von Schweden unabhängig gewordenen Norwegens. Als die Rednerin auf die Bühne zusteuert, geschieht etwas Ungewöhnliches: Aus Respekt vor ihr erhebt sich der Monarch. Die anderen Zuhörer schließen sich sofort an. Die 62-Jährige beginnt zu sprechen, ohne Manuskript, von dem, was zu ihrer Lebensaufgabe geworden ist: für Frieden zwischen den Völkern zu werben.

Am 18. April 1906 nahm die Österreicherin Bertha von Suttner als erste Frau den Friedensnobelpreis in Empfang. Als enge Vertraute und Freundin Alfred Nobels hatte sie die Gründung von dessen Stiftung mitbetrieben. Der Nobelpreis war die langersehnte Anerkennung für ihr pazifistisches Engagement. Tatsächlich war sie nicht nur eine der bekanntesten Frauen Europas, sondern auch die Symbolfigur der Friedensbewegung. Ihr Roman "Die Waffen nieder! " (1889) traf den Nerv der Zeit. Anhand einer fiktiven Biografie führte sie den Lesern die Gräuel des Krieges vor Augen. Das Buch war ein großer Erfolg, bis 1905 erschienen 37 deutsche Auflagen, es wurde in mehrere Sprachen übersetzt.

Autorin von Liebesgeschichten

Als ihr Roman veröffentlicht wurde, war Bertha von Suttner bereits 46 Jahre alt. Sie verdiente ihren Lebensunterhalt mit dem Schreiben von Gesellschaftsromanen und Liebesgeschichten. Zwar entstammte sie dem vornehmen böhmischen Adelsgeschlecht der Kinskys, besaß aber kein Vermögen. Warum sie Ende der 80er Jahre zur Friedensbewegung gestoßen war, konnte sie sich später selbst kaum erklären: "Nicht ich bin auf die Idee, sondern die Idee ist über mich gekommen; - aber wie, warum? Das weiß ich nimmer." Persönlich war sie nie mit einem der zahlreichen Kriege der Zeit in Berührung gekommen. Dennoch entwickelte sie eine leidenschaftliche Kritik an "Mordarbeit". Eine wichtige Antriebskraft dabei war ihre Beschäftigung mit philosophischen und naturwissenschaftlichen Werken der Zeit, allen voran mit der Evolutionstheorie von Charles Darwin. Diese übertrug sie auf die Moral des Menschen. Er sei verantwortlich dafür, sich vom Krieg als "Höhepunkt der Unvernunft" abzuwenden und zum friedlichen "Edelmenschen" weiterzuentwickeln.

Nach dem Erfolg von "Die Waffen nieder! " war Bertha von Suttner eine Person des öffentlichen Lebens geworden. Sie nutzte ihre Bekanntheit, um bei jeder Gelegenheit für die Ächtung des Krieges einzutreten und mächtige Männer aus Adel, Politik und Kultur für ihre Sache zu gewinnen. Am 3. September 1891 veröffentlichte sie im Alleingang einen Zeitungsaufruf zur Gründung eines österreichischen Friedensvereins. Die Reaktionen waren überwältigend: Der Aufruf wurde in ganz Europa nachgedruckt, Prominente unterstützten sie mit Geld oder ihrem Namen. Am 30. Oktober gründete Bertha von Suttner in Wien die Österreichische Friedensgesellschaft und nahm als deren Präsidentin zwei Wochen später an der dritten Weltfriedenskonferenz in Rom teil, wo sie als erste Frau auf dem Kapitol sprach.

Eine "Friedensfurie"

Sie reiste durch Europa und hielt Vorträge, wurde in den USA von Präsident Roosevelt empfangen, publizierte und organisierte Konferenzen. Sie genoss es, auf Kongressen im Mittelpunkt der mondänen Gesellschaft zu stehen - und kompensierte damit, dass sie zum Broterwerb weiter Auftragsromane schreiben musste. Da sie versuchte, auf direktem Wege die politisch Mächtigen von ihren Zielen - kodifiziertes Völkerrecht, Gründung eines Völkerbundes, Einsatz eines Schiedsgerichtshofes - zu überzeugen, bekam sie selbst von Kriegsgegnern zu hören, sie sei naiv. Manche Kritiker sahen Krieg schlicht als unvermeidbar und gottgewollt an. Für sie war Bertha von Suttner eine "Friedensfurie".

Doch sie blieb ihrem Ziel treu, trotz des stetig fortschreitenden Wettrüstens in Europa. Am 21. Juni 1914, sieben Tage vor den tödlichen Schüssen in Sarajevo und dem bald beginnenden Ersten Weltkriegs, starb Bertha von Suttner an einem Krebsleiden. Erst in den 60er Jahren begann man, sich wieder mit der Friedensnobelpreisträgerin zu beschäftigen. Straßen und Schulen in Deutschland wurden nach ihr benannt. Heute schmückt das Bild der Gräfin die österreichische 2-Euro-Münze.

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