So sieht "Super Nanny" Katharina Saalfrank auch den Menschen: ganz!
Dirk von Nayhauß
07.10.2010

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Im Kontakt mit anderen Menschen. Wenn ich verstehe, warum Menschen so handeln, wie sie handeln. Das ist meine Frage an das Leben. Ich will den ganzen Menschen sehen und begreifen. Mein Bild dazu ist die Strophe aus dem Lied "Der Mond ist aufgegangen": "Seht ihr den Mond dort stehen? / Er ist nur halb zu sehen / und ist doch rund und schön. / So sind wohl manche Sachen, / die wir getrost belachen, / weil unsre Augen sie nicht sehn." Mich interessiert nicht nur das, was zu sehen ist - das ist nur der halbe Mensch. Mich interessiert auch das, was wir nicht immer sofort sehen.

Das Leben ist nicht so kompliziert ist, wie wir es uns machen

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Dass das Leben nicht so kompliziert ist, wie wir es uns machen. Wenn ich meinen ältesten Sohn sehe, er ist fünfzehn, denke ich oft an meine eigene Kindheit. Ich hätte mir in seinem Alter gewünscht, dass mich meine Eltern im Aufbruch sehen, aber oft kamen nur Vorwürfe: "Mensch, jetzt bist du nicht mehr bei uns, jetzt bist du nicht mehr zu Hause." Ich hätte mir mehr Verständnis gewünscht und weniger Verbote, ich durfte abends nicht viel weggehen. Ich wollte mir aber nicht alles verbieten lassen und bin auch manchmal durchs Kellerfenster abgehauen.

An welchen Gott glauben Sie?

Das zu beantworten ist so, als ob man über seinen Schatz berichtet. Ich glaube an einen liebenden Gott, an einen verzeihenden Gott, der mich auf dem Weg hält. Der mich morgens aus dem Spiegel anguckt und mich fragt: War das gut? Oder auch sagt: Das war nicht so gut. Manchmal macht man ja Dinge, die nicht so gut waren. Und dann kann ich ins Zwiegespräch gehen und überlegen: Warum war das so? Ich habe ein inniges Verhältnis zu meinem Gott. Er hat mir immer viel Kraft gegeben. Ich habe in meinem Leben oft an Stellen gestanden, an denen ich dachte: Es geht nicht weiter. Ich war jung, als ich schwanger wurde, ich war 21 Jahre alt. Mein Mann und ich hatten gegen große Vorbehalte in unserem Umfeld zu kämpfen - und wir hatten sehr wenig Geld. Das war nicht immer einfach. Ich habe an uns geglaubt und an unseren Weg, aber irgendwie war da noch mehr: eine Sicherheit, dass es weitergeht.

Ich habe ein inniges Verhältnis zu meinem Gott. 

Muss man den Tod fürchten?

Den Tod nicht, vielleicht das Sterben. Ich habe zwei Jahre auf einer Kinderintensivstation gearbeitet. Bei meiner Arbeit dort stand nicht der mögliche Tod im Vordergrund, sondern der Moment: Jetzt sind wir hier, jetzt habe ich die Möglichkeit, für eine Stunde Erleichterung und Kontakt zu schaffen. Die Kinder konnten manchmal nur einen Finger bewegen oder mit einem Blinzeln antworten. Da gab es Situationen, die schwierig für mich waren. Einmal habe ich ein Mädchen besucht, es war Freitagnachmittag, und es ging ihr schlecht. Ich stand am Bettchen und wusste nicht, ob ich das Kind am Montag wiedertreffe oder ob es ein Abschied für immer ist. Ich bin an diesem Tag weinend nach Hause. Wenn jemand stirbt, kann ich nur schwer damit umgehen, dafür brauche ich viel Zeit. Meine Großmutter ist 2007 mit 103 Jahren gestorben, das ist noch sehr präsent bei mir und bei unseren Kindern. Wir haben sie auch tot gesehen. Für mich war es das erste Mal, dass ich das erlebt habe - sie wirkte sehr friedlich. Wir feiern heute noch ihren Geburtstag, backen einen Kuchen und setzen uns zusammen, diese Idee hatte unser neunjähriger Sohn.

Was bedeutet Ihnen Respekt?

Das ist ein schwierig besetztes Wort, es steht für einen eher autoritären Ansatz: Respekt ist eine Umgangsform, die aufgesetzt und unehrlich sein kann. Ich finde Wertschätzung besser. Ich möchte mein Gegenüber fragen dürfen: Wie geht es dir? Was möchtest du? Ich mag die Familien sehr, die mich zu sich nach Hause einladen, und begegne ihnen immer mit Wertschätzung. Mit dem Besuch in den Familien ist meine Arbeit nicht beendet, zusammen mit zwei Psychologinnen findet eine umfangreiche Nachsorge statt. Während der Ausstrahlung sitzt eine Psychologin bei den Familien auf dem Sofa und begleitet alles. Zudem versuchen wir, die Familien langfristig an Jugendämter, Beratungsstellen und therapeutische Einrichtungen zu vermitteln.

Welchen Traum möchten Sie sich noch unbedingt erfüllen?

Ich habe den Traum, dass wir friedlicher miteinander umgehen, dass wir es schaffen, Kindern und Jugendlichen, die sich in den Alkohol flüchten oder nur mit Waffen auf die Straße gehen, eine Zukunft zu geben.

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