Kehrt die Religion zurück?
Nein, sagt der Bochumer Professor für Religionswissenschaft Volker Krech. Sie wird nur vielfältiger
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
07.10.2010

chrismon: In jüngster Zeit sind mehrere Studien zur Religiosität der Deutschen erschienen. Welches Ergebnis hat Sie überrascht?

Volkhard Krech: Die Studien belegen, dass es die vielbeschworene Wiederkehr der Religion nicht gibt, zumindest nicht zahlenmäßig, aber dass die religiöse Vielfalt zunimmt.

Warum?

Hauptsächlich wegen der Zuwanderer, die ihre Herkunftsreligion mitbringen, und wegen der Differenzierung innerhalb der christlichen Kirchen. Noch etwas: Nach der Bertelsmann-Studie Religionsmonitor 2008 (Gütersloh 2007) nimmt mit der religiösen Vielfalt auch die religiöse Intensität zu.

Meinen Sie, die Kirche wird für Christen erst wichtig, wenn eine Moschee daneben entsteht?

Sicherlich auch. Für viele Kulturchristen spielt das Christentum keine große Rolle, bis der Islam in Erscheinung tritt. Dann kommt die Frage auf: Was unterscheidet mich eigentlich von den Muslimen? Dass die Bärte oder Kopftücher tragen und ich nicht, oder steckt mehr dahinter? Manche nehmen das zum Anlass, sich mit der eigenen Tradition auseinanderzusetzen.

Mehr Differenzierung, mehr Intensität. Heißt das auch, dass sich immer mehr Fundamentalisten in Parallelgesellschaften zurückziehen?

Nein. Das heißt nur, dass die religiöse Vielfalt und Vitalität stärker geworden ist. Was die Vielfalt anbelangt, ist das christliche Spektrum das differenzierteste. Wir haben allein in Nordrhein-Westfalen neben Katholiken, evangelischen Landeskirchen und Orthodoxen 73 verschiedene christliche Gemeinschaften und Organisationen ausgemacht.

Also nicht mehr Fundamentalisten, die sich abgrenzen?

Menschen mit hoher religiöser Intensität werden in der Öffentlichkeit oft Fundamentalisten genannt. Das ist ein problematisches Wort, ich würde zunächst einmal dabei bleiben, dass sich diese Menschen stärker religiösen Inhalten verschreiben. Sogenannte Parallelgesellschaften gibt es selten. Und wenn, dann unter Zuwanderern, die sich in ihre Herkunftskultur und auf ihre besondere Religionsausübung zurückziehen - aber eben auch da nur in Ausnahmefällen. Sie werden öffentlich viel stärker wahrgenommen, als sie tatsächlich eine Rolle spielen. Ansätze zu Parallelgesellschaften gibt es im Übrigen nicht nur unter Muslimen, sondern auch unter russlanddeutschen Methodisten, Baptisten oder Mennoniten.

Unter Katholiken gibt es mehr hoch Religiöse als unter Protestanten. Woran liegt es?

Die Daten müssen noch ausgewertet werden. Es mag sein, dass Katholiken sich stärker an Traditionen orientieren als Protestanten, dass sie üblicherweise häufiger in die Messe gehen und beten. Das muss aber nicht der Grund sein, weshalb es hier mehr hoch Religiöse gibt. Die Methoden, mit denen solche Studien entstehen, sind sehr ausgefeilt. Sie berücksichtigen durchaus, dass religiöse Intensität bei Protestanten ganz anders aussehen kann als bei Katholiken.

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