Eva Hillreiner
Am liebsten gemeinsam!
"Gemeinschaftliches Wohnen" gilt als heißer Tipp gegen Heim und Einsamkeit. Doch vor dem Einzug sind viele Fragen zu klären: Reicht das Geld? Wer zieht mit? Was, wenn's im Zusammenleben kriselt? Auch wenn "gemeinschaftliches Wohnen" mit der klassischen WG nichts zu tun hat, weil jeder seine eigene Wohnung hat - sozialromantisch sollte man nicht sein. Und von jetzt auf gleich lässt es sich auch nicht organisieren. Oft liegen Jahre zwischen Idee und Einzug. chrismon erklärt, worauf man achten sollte
Tim Wegner
07.10.2010

Jetzt schon ans Alter denken?

Am Telefon ist eine 80-Jährige, sie lebt allein in einem großen Haus mit Garten: "Ich dachte, ich schaff das schon. Aber jetzt geht es doch nicht mehr - wo kann ich einziehen?" Die Beraterin vom "Forum Gemeinschaftliches Wohnen", Gerda Helbig, schüttelt den Kopf: "Keine Chance. Für diese Wohnform ist es zu spät für Sie." Jetzt bleiben nur noch Seniorenresidenz oder betreutes Wohnen. Da wird es ganz still am anderen Ende.

In einem Wohnprojekt kann man nicht einchecken wie im Hotel und erwarten, dass einen die Jüngeren dann schon pflegen werden. Um solch eine Gemeinschaft muss man sich frühzeitig kümmern, am besten zwischen 55 und 65. Wer wartet bis zum Oberschenkelhalsbruch und dann ganz schnell was braucht, landet im Pflegeheim.

Doch es fällt schwer, an Hinfälligkeit zu denken und an Angewiesensein, wenn man gerade eine Nepalreise plant oder eine Jakobswegwanderung. Dabei sitzt man auf einer schmelzenden Eisscholle: Freunde und Bekannte werden sterben, die Kinder haben mit Beruf und Familie genug um die Ohren, die Wege, die man immer rennt, werden irgendwann zu weit...

Es ist eine Minderheit, die diesen nüchternen Blick in die Zukunft wagt, doch sie wächst. "Die ganze Atmosphäre im Pflegeheim - ich würde kaputtgehen", sagen diese Mitt- und Endfünfziger im Chor. Aber sie wollen auch nicht wie die Eltern leben - zwar in der eigenen Wohnung, aber abgeschnitten vom Leben, mal abgesehen vom halbstündigen Besuch des Sozialdienstes jeden Tag. Sie wollen auch nicht die Kinder bitten müssen, bloß weil sie mal was unternehmen möchten. Oder den Lebensabend am Telefon verbringen, weil die Freundinnen über die ganze Republik verstreut leben. Oder auch nur am anderen Ende der Großstadt.

Aber was dann? Gemeinschaftlich wohnen im Alter, so heißt etwas sperrig eine neue Lebensform. Selten ist damit die klassische Wohngemeinschaft gemeint, in der man sich Küche und Bad teilt. Schon öfter ist damit ein Haus gemeint mit Mini-Appartements und gemeinsamer Küche und Wohnzimmer. Das bevorzugte Modell aber ist die Hausgemeinschaft mit getrennten Wohnungen und zusätzlich einem Gemeinschaftsraum. Bevorzugt, weil sich hier Nähe besser dosieren lässt.

Zieht der Ehemann mit?

Vor allem alleinstehende Frauen wagen diesen Schritt. Die verheirateten sagen: "Ich würde ja gerne, aber mein Mann will nicht." Ein 69-Jähriger, der demnächst mit seiner Partnerin in ein Projekt zieht, sieht das so: "Die Frauen müssen den Konflikt wagen! Sonst lässt sich der Mann pflegen, und die Frau bleibt am Ende übrig."

Mechthild M.* hat diesen Konflikt gerade hinter sich: Die 65-jährige frühere Gesamtschullehrerin hat sich von ihrem Mann getrennt. Er ist 85 und vermutlich demenzerkrankt - mit Anfällen von Panik, Streitsucht, Wut. Mechthild M. hält das nicht mehr aus, und woanders werde er sicher besser betreut.

Aus ihrem Reihenhaus am Stadtrand zieht sie in Berlins quirlige Stadtmitte. Und doch zerreißt es ihr das Herz: "Ich baue mir eine Zukunft auf, und er - er geht ins betreute Wohnen." Mechthild M. ist einer Bauherrengemeinschaft beigetreten, die auf dem ehemaligen Mauerstreifen ein Mehrgenerationenhaus baut. Allerdings ist sie bislang die einzige Ältere - ihre Freundinnen sprangen ab, sie wollten mehr Bäume und mehr Ruhe.

Mit Fremden zusammen wohnen?

Natürlich will man mit Freunden und Freundinnen zusammenziehen, das ist immer die erste Idee. "Aber bis meine Freunde sich endlich entscheiden, sind sie über 70 - und dann nicht mehr flexibel genug, um sich zu integrieren", klagt ein 57-Jähriger.

Sind Freunde überhaupt die beste Wahl? Ist diese oder jene Freundschaft alltagstauglich? Welche Bewährungsproben musste sie bisher bestehen? Wenn man eng aufeinanderhockt, können übereinstimmende Lebensgewohnheiten wichtiger sein, als dass die Chemie stimmt. Es muss nicht jeder mit jedem gut Freund sein, aber es muss jeder jeden ertragen können. Und das ist umso einfacher, je größer die Gruppe ist - man hat mehr Auswahl.

Gefunden werden die Mitstreiter über Mundpropaganda oder Internetsuchbörsen, über Anzeigen in der Lokalzeitung oder im Kirchengemeindeblatt. Meist melden sich dann sehr viele. Manche passen nicht. Weil sie zu unselbstständig wirken oder zu bedürftig; weil sie sich mit ihren Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellen; und manche Männer - auch das wird berichtet - wollen versorgt sein oder sagen, wo's langgeht.

Hat sich die Gruppe so weit zurechtgerüttelt, dann träumt man. Jeder auf seine Weise. Das Ergebnis ist ein Traumschloss: modern, aber auch alt und gemütlich, ruhig und voller Kinderlachen, mit großem Garten, der keine Arbeit macht, nahe See und Wald sowie fußläufig zu Kino, Ärzten, Läden...

Die Berlinerin Angelika R., 55, traf sich mit zehn Frauen über anderthalb Jahre alle zwei Wochen. "Es war schön, es hatte was von einer Freizeitgruppe, aber eigentlich hatten wir bezüglich Wohnen ganz unterschiedliche Interessen - Innenstadt und Land zum Beispiel. Aber weil alles so nett war, gab es eine Hemmschwelle, näher nachzufragen, ob das wirklich zusammenpasst." Die Gruppe löste sich schließlich auf.

"Viele Gruppen scheitern, weil alles viel zu lange dauert - sie bleiben im Kaffeeklatschzustand hängen", sagt Wohnberaterin Gerda Helbig. Man müsse sich einen Zeitrahmen geben; eine Moderatorin hinzuziehen, die die Entscheidungsfindung in Bahnen lenkt; und dann muss man über Geld reden: Wie viel kann ich für Wohnen ausgeben? Sonst kann man nicht planen.

Mit Kindern oder nur mit Alten?

Na klar, sagen die meisten: Alle Generationen zusammen in einem Haus. Hört sich gut an. Aber wird es sich auch gut anfühlen? "Ich hab selber vier Kinder", sagt Egbert Haug-Zapp, 69, vom "Ginkgo"-Wohnprojekt in Langen bei Frankfurt, "ich bin sehr für generationsübergreifende Begegnungen, aber mit gewissem Abstand geht das besser, als auf demselben Flur zu leben und über Heavy Metal oder Mozart im Gemeinschaftsraum zu streiten." Aus netten Kleinkindern werden irgendwann anstrengende Teenager. Die Gruppe hat sich für "50 plus" entschieden. Schließlich gehören 50- und 75-Jährige auch schon zwei Generationen an.

Die Erfahrungen in Mehrgenerationenhäusern sind gemischt: "Sozialromantisch sollte man das nicht sehen - also dass die Alten auf die Kinder aufpassen und die Jungen den Alten helfen", sagt Gerda Helbig, die viele Projekte kennt. Die Generationen haben zu unterschiedliche Tagesabläufe. Die Alten bräuchten tagsüber jemanden für Hilfe und Gespräche. Die Jungen kommen erst abends nach Hause, dann sind sie geschafft. Also sind die Älteren aufeinander verwiesen. Nur wenn was Besonderes organisiert werden muss - etwa ein Pflegedienst -, springen die Jungen ein.

Wenn man die Erwartungen runterschraubt, wenn Hilfe freiwillig und auch nur gelegentlich sein darf - dann kann es gut gehen. Im Projekt "Alt und Jung" in Oldenburg, wo Menschen zwischen 4 und 80 Jahren leben, haben sich einige ältere Frauen um eine Studentin und ihr Zweijähriges gekümmert, die junge Frau zum Beispiel bekocht, als sie während der Prüfungen nur noch Fast Food aß. Dann zog sie ins Ausland. "Man darf das nicht wie eine Investition sehen, wo man Punkte sammelt und aufrechnet", sagt Bewohnerin Angelika Schütz, 52, "man muss es sehen wie eine Lebensform. Was zählt, ist das Jetzt."

Reicht mein Geld?

Miete oder Eigentum? Wer nicht schon am Anfang über Geld spricht, träumt zu lang - bis plötzlich klar wird: Was wir uns vorstellen, das geht nur als selbst finanzierter Neubau. Die Berliner Fremdsprachensekretärin Beatrix W., 54, hat viele Gruppen schnell wieder verlassen: "Das war überall mit einem Haufen Geld verbunden. Mein Mann ist immer mal wieder arbeitslos, ich unterstütze noch die Kinder, und wir in der ehemaligen DDR hatten keine Einlagen, jedenfalls nicht in diesem Ausmaß." Aber auch in den westlichen Bundesländern können sich viele im Alter nur eine Mietwohnung leisten, und die muss günstig sein. Diese Gruppe wird größer - Lebensläufe mit 400-Euro-Jobs, Arbeitslosigkeit, Notselbstständigkeit lassen keine Luft für Vermögensaufbau.

Also ein Haus zur Miete. Das heißt: Man muss ein Wohnungsbauunternehmen finden, das für die Gruppe ein Haus barrierefrei umbaut oder neu baut. Aber Neubaumieten sind auch teuer.

Soll man kleiner bauen und billiger? "Das war die allerschwierigste Diskussion", berichtet Egbert Haug-Zapp vom Projekt "Ginkgo", das ein Haus mit dem Gemeinnützigen Siedlungswerk baut. Es war eine Wahl wie zwischen Pest und Cholera: Baut man altengerecht - mit Aufzug, großen Bädern, zwei Zimmern und Türen mit Elektroöffnung - können die alleinstehenden Frauen nicht mitmachen, deren Rente nicht reicht für eine freifinanzierte Mietwohnung.

Die Auseinandersetzung war nicht laut, aber schmerzlich. Am Ende entschied man sich gegen Einzimmerappartements. "Denn im Alter braucht man nicht weniger, sondern mehr Platz", sagt Haug-Zapp. Man ist viel mehr in der Wohnung als während des Berufslebens. Man muss mit einem Gehwagen rangieren können. Und es soll auch nicht jeder Besuch gleich auf der Bettkante sitzen. Mehrheitsbeschluss also: 50 Quadratmeter sind die Untergrenze. Viele Interessentinnen gingen, manche mit Tränen.

Herbe Abstriche machen dagegen die Mitstreiter um den Krankenpfleger Manfred Hassemer-Tiedeken, 57, und seinen Freund. "Denn wir haben Hartz-IV-Leute in der Gruppe, und die wollen wir auch behalten." Sie ziehen deshalb in einen "Problemstadtteil", ins preiswerte Rollbergviertel in Berlin-Neukölln.

Die städtische Wohnungsgesellschaft, die hier hohen Leerstand hat, profitiert: Sie bekommt eine stabile Mieterschaft, die pfleglich mit dem Haus umgeht und Nachbarschaftsstreit unter sich ausmacht. Dafür baut sie diesen Mietern Aufzüge und Balkons. Drei in der Gruppe kämpfen noch mit sich, neun haben sich zum Umzug entschlossen: "Wir sind müde, wir haben über 40 Objekte angeschaut und bedacht."

Gibt es irgendwo Unterstützung?

Drei Jahre Suche - das ist noch unter Durchschnitt. Gern schnappt ein ausländischer Investor einer Gruppe das städtische Grundstück oder Haus vor der Nase weg. Oder man verhandelt jahrelang mit Wohnungsunternehmen und Stadtverwaltung - alle finden das Projekt zukunftsträchtig, aber keiner zieht konkret mit.

Es gibt - abgesehen von den Ländern Nordrhein-Westfalen und Hamburg sowie einzelnen Stiftungen oder Wohlfahrtsverbänden - so gut wie keine öffentlich finanzierte Beratung für gemeinschaftliche Wohnprojekte. Auch der Beratungsstelle des Forums Gemeinschaftliches Wohnen wurde bisher regelmäßig ihr Antrag auf Förderung abgelehnt. Dabei laufen bei ihr pro Jahr 10 000 Anfragen auf. "Die Politik macht gerade in Familie", sagt Geschäftsführerin Helbig trocken.

Und nach wie vor fließen Steuermittel in den Bau von Pflegeheimen. Obwohl eine Pflegeheimunterbringung die Allgemeinheit teurer zu stehen kommt, da sie häufig durch Sozialhilfe bezuschusst werden muss. Wer dagegen gemeinschaftlich wohnt, muss nicht oder viel später ins Heim.

Umzug geschafft - wie schafft man Gemeinschaft?

Endlich ist das Haus fertig - und auf einmal gibt es 1000 Gründe, warum ein Umzug jetzt gerade nicht passt. Alle Zweifel leben wieder auf: Ist mir die Gemeinschaft das wirklich wert, dass ich meine bisherige Wohnung aufgebe? Manchmal muss dann die Schrankwand, die nicht in die neue Wohnung passt, als Ausrede herhalten. Der Anfang ist eben zunächst ein Abschied vom bisherigen Leben.

Und nach dem Umzug stellen manche überrascht fest, dass sie so mit sich und der neuen Wohnung beschäftigt sind, dass sie sich erst mal zurückziehen wollen - während andere bereits gemeinsame Abendessen einfordern, bevor noch die Lampen hängen.

Gemeinschaft muss wachsen. Dazu gehört Geduld. Auch ein wenig Organisation: ein Hausbuch, in das man reinschreiben kann "Ich geh heute Abend ins Kino, wer kommt mit?", der Tausch der Wohnungsschlüssel, eine Liste der Angehörigen, der Medikamente. Rituale müssen sich entwickeln: das Geburtstagsständchen, der allmorgendliche Plausch mit den direkten Nachbarn... Bald kommen auch die ersten Prüfungen: Wie tragfähig ist eine Gemeinschaft? Manchmal wächst sie sogar über sich hinaus. Ein Rückenmarksinfarkt hatte einer Endsechzigerin im Projekt am Kronsberg jeden Lebensmut genommen. Anderthalb Jahre kümmerten sich die Mitbewohner um sie - setzten ihr appetitliche Salate vor und sich selbst dazu an den Tisch, spielten mit ihr. Und gaben ihr irgendwann einen kleinen Schubs: Sie könne doch jetzt wirklich wieder laufen. Jetzt lebt sie wieder weitgehend selbstständig. "Es verteilt sich auf viele Schultern, es ist so leicht", sagt eine Bewohnerin.

Dicke Luft - wie meistert man Krisen?

Natürlich gibt es auch Konflikte - es sind ja alle gestandene Persönlichkeiten, die da zusammen wohnen. Manchmal sind es "nur" Meinungsverschiedenheiten - etwa über die Gartenhecke. "Kirschlorbeer ist pflegeleicht", sagen die einen. "Um Gottes willen, das sieht aus wie auf einem Friedhof", sagen die anderen. Gut, wenn man frühzeitig entschieden hat, nach welchem Modell man abstimmt. Etwa so: Bei kleineren Dingen entscheidet die Mehrheit, bei wichtigen Themen aber - etwa der Aufnahme einer neuen Bewohnerin - muss ein Konsens gefunden werden.

Streit gibt es auch gern über die Verteilung lästiger Aufgaben. Im Oldenburger Projekt "Alt und Jung" war klar: Die Mieter pflegen den Garten selbst, dafür bekommen sie vom Vermieter einen Betrag gutgeschrieben. Am Ende mähten von 20 nur noch zwei. "Wir machen das doch nicht für alle mit! " Schließlich einigte man sich auf diese Lösung: Wer nicht mähen kann oder will, vergibt die Arbeit an einen Studenten oder backt für den Ersatzmäher einen Kuchen. Was zählt, ist die gefühlte Gerechtigkeit.

Richtige Krisen schleichen sich eher heran. Es wird getuschelt und gemosert. So wie drei Jahre nach dem Einzug im Projekt "Gemeinsam statt einsam" am Kronsberg/Hannover. "Die da oben, wir da unten", so ging die Rede. Die da oben, das waren alle im Aufgang 17, da hier Frau S. wohnt, die Projektinitiatorin. Endlich rang man sich durch, eine Supervisorin zu engagieren, damit die sich mal die unterschwellige Gruppendynamik anschaue.

Merkwürdige Übungen folgten. Man baute Skulpturen aus Menschen. "Das war ein Aha-Erlebnis", erzählt Lore B., 72: "Wir verstanden, dass der Vorausschreitende wichtig ist, dass es aber auch Gefolgsleute geben muss, die nicht viel fragen. Und eine Opposition, die auch mal was infrage stellt." Und Frau S., "die da oben"? Sie sei doch gar nicht die Nummer eins, hatte sie immer gesagt. Nach der Supervision nahm sie die Rolle an und ist seitdem als "unser Außenminister" anerkannt. Allerdings informiert sie die anderen jetzt auch besser.

Ein Wohnprojekt, wenn es gelingt, ist ein soziales Kunstwerk. Eigentlich aber gibt es in Hausgemeinschaften weniger Konflikte als sonst in Mehrparteienhäusern. Deshalb werden selten Wohnungen frei. Meist, weil jemand gestorben ist.

Kann man bleiben bis zum Tod?

Das wünschen sich die meisten Älteren, wenn sie in ein Wohnprojekt ziehen: dass sie hier bis ans Lebensende bleiben können. Doch häufig klammern gerade Seniorenwohnprojekte das Thema Pflegebedürftigkeit aus. Oder vertagen es. Wenn Gruppen überhaupt über das Thema reden, dann vereinbaren sie meist dies: eigenhändige Pflege - nein, da muss ein Pflegedienst kommen; kurzfristige Unterstützung - ja. Und sowieso: Zuwendung. Denn das Hauptproblem von Pflegebedürftigen ist die Vereinsamung.

Die meisten Bewohner lassen es darauf ankommen, ob die Gemeinschaft im Notfall trägt. Nur wenige sorgen detailliert vor. Die "Ginkgo"-Gruppe in Langen plant sogar eine Dementen-WG im Haus, mit der Caritas als Trägerin und zunächst belegt mit Menschen aus der Stadt.

"Denn uns ist klar: dement werden nicht nur die anderen", sagt Egbert Haug-Zapp, 69. Jeder der 30 Projekt-Bewohner muss pro Woche vier Stunden für die Gemeinschaft arbeiten - das kann Rosenschneiden sein, leidiger Verwaltungskram oder auch einen Nachmittag die Dementen betreuen. Dafür kommt man auf Platz 1 der Warteliste. Manche Interessenten haben deswegen das Weite gesucht: Sie wollten einfach nicht täglich Verwirrten über den Weg laufen, auch wenn sie das Modell eigentlich richtig fänden.

Dagmar W. dagegen, die pensionierte Lehrerin, hält wenig von solcher Vorsorge: "Man kann nicht alles absichern. Wir müssen uns zunächst ein menschliches Polster aufbauen. Das kann man nicht einfordern. Das entsteht." Sie freut sich jetzt erst einmal auf Museen und Theater in Berlin. Und auf die vielen kleinen Kinder im Haus - "das ist als Perspektive was ganz Zauberhaftes".

Und endlich, endlich ist alles gut

Lore B. wohnt bereits. Sie ist heilfroh, dass sie den Schritt gewagt hat. Zwar sei sie als einstige Internatsschülerin ein "Gemeinschaftsmensch", aber in der gutbürgerlichen Gegend, wo sie zuletzt wohnte, wäre selbst sie irgendwann vereinsamt: "Da hat man vielleicht mal mit einem Hundebesitzer gesprochen." Hier dagegen, am Kronsberg in Hannover, sind die Kontakte einfach da. Auch Freundinnen? Die 72-Jährige zählt leise. "Unter den 17 Menschen hier sind fünf richtige Freundinnen, mit denen man alles austauschen kann, was einen so bewegt." Und einmal die Woche fahren sie zusammen in ein Solebad. Neulich waren sie im Kino. Sicher, da wär sie früher auch hin, aber eben alleine.

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