Merchandising mit Macht, Star Wars Fan als Darth Vader kostümiert 2002 in Seattle vor der Aufführung von "Episode II - Attack of the Clones".
Ron Wurzer/Getty Images
Das Evangelium nach Lucas
Die Weltraumsaga "Star Wars" ist eines der erfolgreichsten Spektakel der Kinogeschichte ­ und zugleich eine Populärreligion, inszeniert vom Hohen Priester George Lucas. In diesen Tagen kommt die fünfte Folge in die Kinos
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
07.10.2010

Der Weg des Jedis ist manchmal hart. Da schrieb zum Beispiel Jedi Stefan Thiesen aus Germany ein kleines, unscheinbares Büchlein über "die Geheimlehren der Jedi-Ritter in der Version für Erdlinge", brachte sein Werk im Selbstverlag heraus, schickte sogar ein Exemplar in Ehrerbietung an den großen Meister in America ­ und erlebte prompt die dunkle Seite der Macht. Das Imperium schlug zurück.

George Lucas, der Schöpfer der Jedis, Mastermind des Kriegs der Sterne, Herrscher über ein Film- und Merchandising-Imperium, ließ den kleinen Jedi aus Deutschland verklagen. Entweder alle Jedi-Bücher sofort rausgeben und einstampfen oder 250000 Mark Strafe zahlen. Denn du sollst den Namen des Herrn nicht ohne dessen Einwilligung gebrauchen. Oder es kostet dich viel, viel Geld.

Doch um Geld geht es George Lucas bei "Star Wars" schon lange nicht mehr. Auch nicht in der neuesten Episode, die im Mai in die Kinos kommt. Viel wichtiger ist ihm, den Mythos fortzuschreiben. Längst sind seine Figuren, sind Darth Vader, Obi-Wan Kenobi, Yoda und Luke Skywalker im kollektiven Gedächtnis der Vier- bis 40-Jährigen zementiert. "Spätere Generationen werden 'Star Wars' vielleicht einmal als den Mythos des 20. Jahrhunderts bezeichnen", raunt denn auch die Medienwissenschaftlerin Mary Henderson. Und könnte damit Recht haben. Dem Schöpfer auf seiner Skywalker-Ranch ist das nicht unangenehm.

Dem Finsterling die Stirn bieten, das Universum erlösen ­

Worum geht es eigentlich bei dem Ganzen? Filmproduzent George Lucas erzählte zunächst, in seiner ersten Trilogie, vom Kampf einer kleinen Rebellenschar gegen ein mächtiges Imperium. Dessen unheimlichster Vasall ist Darth Vader ­ ein gefallener Engel oder in Lucas' Worten: ein ehemaliger Jedi-Ritter, der sich "der dunklen Seite der Macht" ergeben hatte.

Diesem Finsterling die Stirn zu bieten ­ und somit das Universum zu erlösen ­ muss sich der junge Luke Skywalker aufmachen, ein so genannter Jedi zu werden. Das heißt: eine Mischung aus Samurai, Zen-Philosoph und Prinz Eisenherz. Erschwerend kommt hinzu, dass Darth Vader, wie sich herausstellen soll, des Helden eigener Vater ist ­ eine kleine Weltraum-Volte, frei nach Sigmund Freud. Im letzten Teil der Trilogie schafft es Luke, seinen Vater zur Umkehr zu bewegen und den großen Feind, den grausamen Imperator zu überwinden. Und dann Schluss, aus, interstellare Erlösung.

Danach ließ George Lucas die Kinozuschauer und Fans 16 Jahre mit der Frage allein, wie der ganze Schlamassel eigentlich begann. Doch seit 1999 verrät er in einer neuen "Star Wars"-Trilogie endlich, wie aus einem kleinen freundlichen und hilfsbereiten Buben mit Namen Anakin Skywalker der Bösewicht Darth Vader werden konnte.

Spätestens im Jahr 2004 wird die Welt wissen, wie der Sündenfall à la Lucas aussieht ­ denn dann ist die neue Trilogie abgedreht, die Story vollständig. Bis dahin wartet die Fan-Gemeinde treu auf die Offenbarungen von der Skywalker-Ranch. Gelegentlich wirft Lucas der Öffentlichkeit ein Häppchen zu, aber immer nur so viel, dass die Spannung bis zum nächsten Teil erhalten bleibt.

Mythenstoff aus dem All

Obwohl alles eigentlich nur ein blumiges, oft genug pathetisches Weltraummärchen ist, wurde die Geschichte vom Krieg der Sterne einer der größten Erfolge der Kinogeschichte. Auf schauspielerischen Tiefgang legte Lucas dabei keinen Wert, eher schon auf knifflige Spezialeffekte und temporeiche Actionszenen. So kam es denn auch, dass die Weltraum-Saga bei Kino-Kritikern nur ein Naserümpfen erntete. Indessen füllten sich die Kinderzimmer mit Robotern, Raumkreuzern und Yoda-Plüsch- teddys, der Siegeszug der Produktserie schritt unaufhaltsam voran. Jetzt also, 25 Jahre nach dem ersten Krieg-der-Sterne-Film, wird die nächste Generation mit Mythenstoff aus dem All versorgt.

Man kann Lucas einen gewieften Manipulator schelten, seine Filme als trivial abtun. Trotzdem besetzt der "Star Wars"-Mythos mit seinen einfach gestrickten Figuren, seiner Pop-Psychologie und seiner schlichten Moralität inzwischen Felder, von denen Kirchen und Religionsgemeinschaften bislang meinen, es seien die ihren: Sinnstiftung, Lebensdeutung und ethische Erziehung.

Volksfrömmigkeit hat inzwischen auch hierzulande oft mehr mit Yoda und den Jedis zu tun als mit Katechismus und Gesangbuch. Und vielleicht hat die universelle Lucas-Kinderkirche schon mehr Menschen gepredigt, was sie für gut, was sie für böse hält, als die gesamte christliche Verkündigung in den vergangenen 25 Jahren. Nicht ohne Basis war deshalb der Vorschlag, den Regisseur Francis Ford Coppola einst seinem Kollegen machte: "George, mach doch aus deiner Jedi-Philosophie eine religiöse Massenbewegung!"

Im Herbst wissen zumindest die Briten, wie viele ihrer Landsleute sich ernsthaft oder aus Schabernack zum "Jediismus" bekennen. Dann nämlich werden die Ergebnisse der jüngsten Volksbefragung veröffentlicht, die auch Aufschluss über die Religionszugehörigkeit geben soll. Und immerhin haben die "Jedi-Ritter" beim Office of National Statistics schon eine eigene Kennziffer ­ die 896. Vor den Heiden (897) und den Atheisten (898).

"Star Wars" wie eine Offenbarung

Schon ist es manchem Jedi zu viel geworden: Sir Alec Guinness, der in der ersten Folge des Sternen-Epos den Obi-Wan Kenobi mimte, offenbarte kurz vor seinem Tod seine Bedenken: "Vor zwanzig Jahren, als der Film zum ersten Mal gezeigt wurde, hatte er eine gewisse Frische, auch so was wie moralischen Witz. Aber inzwischen zucke ich jedes Mal zusammen, wenn jemand in meiner Gegenwart 'Star Wars' erwähnt." Als ihm ein zwölfjähriger Fan begeistert berichtete, er habe den ersten Sternenkrieg inzwischen über 100 Mal gesehen, wurde Sir Alec richtig böse: Er ließ nicht eher locker, bis der Kleine ihm unter Tränen versprach, sich den Film nie wieder anzusehen. "Der Junge wirkte wie besessen."

George Lucas ­ ein Wilderer im Garten der Religionen? Gewiss, auch andere Filme haben quasireligiösen Charakter, machen Anleihen bei Traditionen, Mythen und Religionen. Und immer wieder gibt es Erlöserfiguren und Helden, die erst über gefahrvolle Umwege zum Ziel gelangen. Trotzdem nimmt George Lucas und sein Werk eine Sonderstellung ein in Hollywoods Traum-Industrie.

Rund 500 Millionen Menschen erreichte Lucas in den vergangenen 25 Jahren weltweit mit seiner Weltraumsaga. Sein erklärtes Ziel: mit seinen Mythen den Hunger der modernen Menschen nach Spiritualität zu stillen. Oder in seinen eigenen Worten: "Star Wars nimmt all die Dinge, für die Religionen stehen, und versucht, sie zu einem moderneren und leicht verständlichen Konstrukt zu destillieren."

Manche Filmkritiker glauben, dass Lucas sein Weltraumepos eigentlich nur für seine eigenen Kinder Jet, Kate und Amanda erzählt. Kindererziehung über die Leinwand also? "Ich wollte einen Kinderfilm machen, der die gegenwärtige Mythologie stärkt und eine Art von grundsätzlicher Moral einführt", erklärt Lucas. "Alle vergessen, den Kindern zu sagen: 'Hey, das ist falsch und das ist richtig.'"

Mit dieser Botschaft erreichte Lucas eine ganze Generation. Zum Beispiel Stefan Thiesen, Jahrgang 1967. Mit zwölf Jahren erlebte Thiesen den ersten "Star Wars"-Film wie eine Offenbarung. Und noch heute sagt er: "Die Jedi verkörpern ein attraktiveres Wertesystem als unseres. Sie sind bescheiden, haben hohe ethische Ansprüche, sie sind selbstlos, sie folgen nicht dem materialistischen Ethos."

Verzweifelte Suche nach dem unbekannten Vater

"Star Wars" biete sogar mehr als ethische Weisung. "Als ich zwölf Jahre alt war", erinnert sich Thiesen, "hingen wir mit unserem spirituellen Grundbedürfnis in der Luft. Die Jedi-Ritter waren für uns genau das, was uns damals fehlte. Dass sich einer um uns kümmert, uns zu etwas Höherem führt."

Geschickt nutzt Lucas den spirituellen Hunger seiner jungen Klientel und kleidet seine Antworten in eine spezielle Bildsprache und in einfache Fabeln. Als sich Darth Vader seinem Sohn als Vater offenbart, will dieser es nicht wahrhaben. Doch Luke muss dadurch begreifen: Das Dunkle ist ihm näher, als er ahnt, er muss sich abgrenzen und seinen eigenen Weg finden.

Zu dieser Szene hat sich Lucas vom amerikanischen Religionsforscher und Mythenerzähler Joseph Campbell, Lucas' geistigem Mentor, Jahrgang 1902, inspirieren lassen. Interessiert begleitete Campbell bis zu seinem Tod 1987 die Entstehung des "Star Wars"-Mythos.

Campbell hatte gelehrt, dass sich Helden von jeher immer wieder auf die verzweifelte Suche nach dem unbekannten Vater begeben. Auch im christlichen Glauben sei dieser Mythos Thema: Jesus von Nazareth, nimmt diese Suche auf sich und ist Prüfungen ausgesetzt; der Teufel versucht ihn, die Menschen feinden ihn an, schließlich muss er dem Vater noch im Kreuzestod seine Treue zeigen.

George Lucas sah sich von Anbeginn als Vollender eines alten Traums seines Mentors. Die atheistische Moderne brauche einen neuen Mythos, hatte Campbell wiederholt gefordert. Lucas schuf diesen Mythos und griff dabei tief in die Trickkiste mythischer Archetypen. Darth Vaders Selbstoffenbarung mündet in einen Kampf. Der Vater besiegt zunächst seinen Sohn Luke im Duell. Er schlägt ihm die Hand ab und macht ihn handlungsunfähig. Luke muss sich auf eine neue spirituelle Suche begeben. Er muss sich auf die Überwindung seines Vaters ­ aber auch seiner eigenen dunklen Seiten ­ in der nächsten Begegnung vorbereiten.

Und nicht zufällig wählt Lucas das ganze Weltall als Setting für seine "Familiengeschichte". So hat der Hamburger Religionspädagoge Hans-Martin Gutmann beobachtet: "Bei der Frage danach, was die Ju- gendlichen am Gegenstand Religion interessiere, kommt immer wieder das Stichwort 'Außerirdische': weit vor Jesus oder der Auseinandersetzung mit der Bibel. Die Außerirdischen werden mit Gott assoziiert, mit dem ­ aus der Perspektive der Menschen ­ ganz Anderen."

Fragwürdige Botschaft

George Lucas' religiöse Lehre, die Folie für seine Sternensaga, wirkt wie ein Tütchen Kino-Süßigkeiten, ein bisschen Lakritz, ein bisschen Zuckerguss. Ein Mix aus verschiedenen Religionen: Ein bisschen Taoismus fließt in Lucas' Lehre von jener Macht ein, die alles Leben schafft, eine kräftige Prise Zen-Buddhismus bringt die Figur des Jedi-Meisters Yoda ins Spiel. In den jüngsten beiden Folgen Episode 1 und 2 nehmen auch die christlichen Symbole zu. Die Mutter des Helden Anakin Skywalker ist eine Jungfrau. Der Ritter Qui-Gon Jinn sieht in Anakin den kommenden Erlöser ­ weil die Macht so mächtig sei in dem Jungen. Und der Widersacher Darth Maul tritt wie ein Teufel aus dem Bilderbuch der Religion auf: rot-schwarz gestreift, mit giftig-grünen Augen und einem Satz Kuhhörnern auf der Stirne.

In der neuesten Folge schließlich, "Episode 2: Angriff der Klonkrieger", wird der junge Anakin in Versuchung geführt ­ und scheitern. Und mit ihm wird bald auch der größte Teil der Galaxis unter die Herrschaft des teuflischen Imperators geraten. Alles in allem: eine gefallene Schöpfung, die ihrer Befreiung harrt...

Dass man aber nicht einfach einen neuen Mythos schreiben und aller Welt als Religion verordnen kann, hatte Lucas' geistiger Mentor, der Mythenforscher Joseph Campbell, oft genug betont. Religiöse Mythen entstünden und behaupteten sich auf geheimnisvolle Weise. Folglich mystifiziert Lucas seinen Schaffensprozess: "Ich habe versucht, auf bestimmte mythologische Themen zurückzugreifen und sie zu verknüpfen. Doch schließlich musste ich diesen Plan aufgeben und einfach meine Geschichte schreiben. Als sie fertig war, stellte ich fest, dass alle großen Themen darin enthalten waren." "Star Wars": eine archetypische Botschaft der Seele?

Lucas mag sein Weltraummärchen aus Versatzstücken der Weltreligionen komponiert haben. Kern seiner Botschaft aber ist der American Way of Life. Lucas' Helden leben an einer Grenze und streben über sie hinaus. Die entscheidenden Prüfungen auf ihrer Reise ins Ungewisse müssen sie allein durchstehen. "Star Wars" bleibt bei der religiösen Überhöhung des Individualismus stehen. Es ist die Religion des amerikanischen Traums in mythisch-moralischem Gewand.

Gerade hierin liegt das Fragwürdige seiner Botschaft. Lucas unterstellt, alle moralische und kreative Kraft liege beim Einzelnen. Seinen Fans ruft er zu: Es liegt allein an dir, was du aus dir machst. Nur, was mit denen geschieht, die bei ihrer Heldenreise auf der Strecke bleiben, die keine Tugendritter sind und ohne Laserschwert durchs Leben gehen müssen, das verschweigt er. Oder anders gesagt: Es interessiert ihn nicht.

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