Aquarell, undatiert, von Oscar Larsen (1882–1972)
Sotheby´s/akg-images
Auffällige Freizeitgestaltung
Ein Pfarrer gründet einen Kleintierzoo. Er pendelt und läuft mit der Wünschelrute. Seine jugendlichen Anhänger sind begeistert. Dann geht er mit Mädchen aus seiner Gemeinde an den Nacktbadestrand. Er vergreift sich an ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen. Jetzt hat ein Gericht den Pastor verurteilt. Was folgt aus dieser bizarren Geschichte von einem, der alles anders machen wollte?
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
07.10.2010

Eigentlich war man sich vor Gericht weitgehend einig: Ein heute 49-jähriger Pfarrer aus Schkeuditz, Kirchenprovinz Sachsen, pflegte sexuellen Kontakt zu jungen Frauen aus seiner Gemeinde. Nur darüber, wie das juristisch zu bewerten sei, gingen die Meinungen auseinander. Der Staatsanwalt sprach von "Missbrauch an widerstandsunfähigen Personen in 42 Fällen" und forderte 22 Monate Haft. Der Anwalt hielt dagegen, die gegen R. aussagenden Jugendlichen seien niemals widerstandsunfähig gewesen. Sie hätten in alle sexuellen Kontakte eingewilligt. Am Ende sprach das Amtsgericht Eilenburg bei Leipzig den Pfarrer schuldig des sexuellen Missbrauchs an Mädchen aus seiner Gemeinde in neun Fällen. Die Strafe: ein Jahr Haft auf Bewährung und 6000 Euro, zu zahlen an den Kinderschutzbund. In allen anderen Anklagepunkten sprach das Schöffengericht den Pfarrer frei.

So weit ist die Geschichte schnell erzählt. Aber wer sich die teils bizarren, teils abstoßenden Details ansieht, bleibt mit einer Menge Fragen zurück: Was hat die starke Wirkung dieses Pfarrers auf Jugendliche ausgemacht? Wie konnte er sich an seinen Schutzbefohlenen vergreifen? Warum wurde er nicht viel früher gestoppt?

Die Geschichte beginnt in Gelsenkirchen-Schalke. Harry Heinz R. tritt dort 1986 mit viel Engagement seinen Dienst als Gemeindepfarrer an. Er wird bald wegen seiner Experimentierfreude und seines Eigensinns ebenso sehr geschätzt wie gefürchtet. R. ist ein zupackender Pfarrer, der sich mit dem Presbyterium anlegt, wenn etwas nicht läuft, wie er wünscht. Einer mit Motorradhelm unterm Arm und Pfarrkollar um den Hals. "Er hatte was Hochkirchliches an sich", erinnert sich Klaus Homburg, damals Superintendent in Gelsenkirchen. "Ein Drauflos", meint Exkollege Hans-Joachim Dohm aus Schalke-Nord. R. habe mit der Faust auf den Tisch gehauen und gesagt: "Wir müssen was tun!" Was er dann tat, so Dohm, habe R. oft nicht vom Ziel her durchdacht: Wo führt das hin? Hauptsache viele Menschen erreichen.

R. untersteht ein Jugendheim, wo sich die Rabauken aus Schalke treffen. Er will auch die sanfteren Jugendlichen gewinnen. Im Nachbarort sieht er einen Kleintierzoo von Jugendlichen für Jugendliche. R. ist begeistert. Mitten im Schalker Wohnviertel gründet er seinen eigenen Zoo. Ein Mitarbeiterkreis versorgt die Tiere, vom Kaninchen bis zum Pferd. Doch Nachbarn beschweren sich, die Tiere zögen Ungeziefer an. Tierschützer klagen, die Tiere würden nicht artgerecht gehalten. Schließlich verbietet das Presbyterium, die Tiere auf gemeindeeigenem Grund zu halten.

Mit dem Zoo, der zur Pferderanch anwächst, zieht R. an den Stadtrand und gründet eine GmbH. Die Presbyter fühlen sich übergangen. Die Gemeinde spaltet sich: Man ist für R. oder gegen ihn." Riemer gab den Stadtkindern, was ihnen sonst keiner bot", sagt Pfarrer Dohm aus Schalke-Nord, "doch was für ein Risiko er dabei einging! Immer dachte ich: 'Mensch, Harry, lass das!' Einmal ging er mit einem Kind über eine stark befahrene Autobrücke. Das Kind auf dem Pferd, und er mit nacktem Oberkörper nebenher. Was hätte da alles schief gehen können!"

Um Riemer schart sich ein eingeschworener Mitarbeiterkreis. Auf wöchentlichen Versammlungen bespricht er mit den Jugendlichen alles, was ihnen auf der Seele brennt. Auch die Sexualität. Tag und Nacht können Jugendliche zu ihm kommen. Selbst die Freizeit verbringt er mit ihnen. Sie begleiten ihn auf wöchentlichen Ausflügen ins Bochumer Aquadrom zur FKK-Badezeit. Von sexuellen Übergriffen ist nichts bekannt. "Das wäre rausgekommen", sagt Pfarrer Dohm. "Das Presbyterium wollte ihn ja loswerden."

"Nie habe ich solche Spannungen erlebt wie damals in Schalke"

Am 25. April 1991 geschieht das Unfassbare. R. schlachtet seinen Hund. Warum, ist rätselhaft. R. selbst gibt widersprüchliche Erklärungen: Er habe an dem Abend seinen VW-Bulli verliehen und konnte nicht zum Tierarzt fahren, sagt er dem einen. Und einem anderen, der Hund sollte in seinen Armen sterben.

In der Waschküche, so steht es später in der Zeitung, will R. dem herzkranken Schnauzermischling einen Betäubungsschlag setzen. Der Hund jault auf. Nachbarn öffnen ihre Fenster. R. zerrt den Hund in den Keller, trennt die Halsschlagader durch. Der Hund lebt. R. verlässt das Pfarrhaus. Der Hund trottet hinterher. Am nächsten Morgen zieht sich eine Blutspur zum Rhein-Herne-Kanal, wo das Tier verendet ist, wo es der Pfarrer verscharrt hat.

Das Presbyterium schmeißt R. raus. Der wittert ein Komplott. Seine Anhänger sammeln Unterschriften, vergebens. "Nie habe ich solche Spannungen erlebt wie damals in Schalke", erinnert sich Exkollege Pfarrer Dohm. Bis heute fürchtet Riemers Nachfolger Dirk Purz die Geister der Vergangenheit. In seiner Gemeinde verbittet er sich vehement jede Nachfrage. Damals zieht niemand R. für sein Verhalten zur Rechenschaft, niemand mahnt ihn ab. Tierschützer zeigen R. wegen Tierquälerei an. Es fehlt an Beweisen. Der Staatsanwalt stellt die Ermittlungen ein.

Superintendent Klaus Homburg fühlt sich überfordert. Er ist drei Jahre im Amt. Seit er die Gemeinde kennt, liegen Riemer und das Presbyterium im Streit. Und Homburg sieht R.s Stärken: "Ich habe lange gemeint, dass er ein guter Mann für die Gemeinde sei. Er hatte ein missionarisches Konzept, war engagiert. R. hat seine Linie nicht durchgehalten, das war sein Problem."

Das Landeskirchenamt Bielefeld sieht keinen Verstoß gegen das Pfarrerdienstrecht. Personalreferent Hans-Detlef Hoffmann, 1991 noch nicht im Amt, kennt den Vorgang nur aus den Akten: "Dass Riemer einen großen Teil seiner Freizeit mit Tieren zubrachte, ist ungewöhnlich für einen Pfarrer", sagt er. "Aber auffällige Freizeitbeschäftigungen haben andere Pfarrer auch."

R. zieht in Schalke um. Die Pferderanch betreut er weiter. Seine Jugendlichen halten zu ihm, lassen sich Jahre später noch von ihm trauen und unterstützen ihn mit Spenden. Zwei- bis dreihunderttausend Mark will R. von Ehemaligen erhalten haben.

Harry R. bewirbt sich auf Pfarrstellen in Westfalen. Erfolglos. Niemand will den Skandalpfarrer haben. 1993 findet die Kirchenleitung eine Lösung: Man schickt ihn in den Osten. "Nach der Wende kamen viele Westpfarrer", sagt heute ein leitender Geistlicher der Kirchenprovinz Sachsen. "Bei überdurchschnittlich vielen hat man das Gefühl, da wurde ein Problemfall entsorgt."

Normalerweise nehmen die Ostkirchen Westpfarrer auf ihre eigene Gehaltsliste. R. stellen die Westfalen ausnahmsweise kostenlos zur Verfügung. Zunächst für vier Jahre.

Sankt-Albanus-Kirchengemeinde, Schkeuditz. An kalten Herbsttagen durchzieht der Geruch von Kohleheizungen die Kleinstadt an der Bundesstraße sechs, der Leipziger Ausfallstraße Richtung Halle. Bekannt ist Schkeuditz wegen eines Flughafens und eines Autobahnkreuzes. Zwischen grau verputzten und farbig renovierten Fassaden steht die Albanuskirche. Am 1. Oktober 1993 wird R. hier Pfarrer. Die Pferde aus Schalke nimmt er einfach mit.

Wie in Schalke schätzt und fürchtet man R. schon bald als experimentierfreudigen und eigensinnigen Pfarrer. Er überwirft sich mit dem gesundheitlich angeschlagenen, dienstälteren Pfarrer an Sankt Albanus. Der weicht, R. bleibt. "R. konnte niemanden neben sich dulden", urteilt rückblickend eine Schkeuditzerin.

"Wie die zarten Blumen willig sich entfalten und der Sonne Stille halten"

Schnell baut R. die brach liegende Jugendarbeit wieder auf. "Mich hat beeindruckt, dass er die Dinge unheimlich bewusst reflektiert", erinnert sich eine junge Frau, die damals 21-jährig einsteigt. "Er hat persönliche Freundschaften zugelassen, war nicht amtlich verknöchert." R. praktiziert Zen-Meditation mit den Jugendlichen. Was sie dabei erleben, beschreibt die junge Frau mit den Worten eines Kirchenliedes: "Wie die zarten Blumen / willig sich entfalten / und der Sonne stille halten, / lass mich so / still und froh / deine Strahlen fassen / und dich wirken lassen."

In der Schkeuditzer Jugend scheiden sich die Geister. Viele Jugendliche fühlen sich von R.s Art abgestoßen, auf Widerspruch oft streng zu reagieren. Andere gehen mit ihrem Pfarrer durch dick und dünn, renovieren Gemeinderäume, putzen Toiletten, geben Jugendstunden. Sie sprechen von "Freiwilligkeitsethik", auch Mutter Teresa habe ihren Helfern unangenehme Arbeiten abverlangt. Der Staatsanwalt wird später von einem Hörigkeitsverhältnis sprechen. "Eine sektenähnliche Struktur", wird die Richterin Petra Wendtland urteilen.

"Ein Hörigkeitsverhältnis hat es nie gegeben", widerspricht Katrin K., Mitglied der Jungen Gemeinde. Ob R.s autoritäre Art nicht auch manchen abgeschreckt habe? "Autoritär ist das falsche Wort", sagt sie. "Manchmal wurde er engagiert und heftig, wenn jemand eine völlig verdrehte Meinung hatte." Was eine verdrehte Meinung sei? "Wenn jemand überhaupt nicht auf die Argumente des anderen eingeht." Ging R. denn auf alle Argumente ein? "Es geht auch darum, wie stichhaltig die Argumente sind."

Tag und Nacht kommen Jugendliche ins Pfarrhaus, reden mit dem Pfarrer, lassen sich therapieren, wenn ihre Chakren (Energiezentren) blockiert sind. R. versteht sich als Heiler. In seiner Freizeit besucht er mit Mädchen aus der Jungen Gemeinde eine Sauna. "Das ist ja auch erlaubt", sagt später Superintendent Christian Stawenow, "nur für einen Pfarrer etwas ungewöhnlich."

Bis 1996 ist R. auch Schulpfarrer. Der Schulleitung wird er suspekt, als er im Unterricht mit Pendel und Wünschelrute experimentiert. Auch sein Schwerpunkt Sexualität fällt auf. Jugendliche in dem Alter beschäftigten sich viel mit ihrer Sexualität, begründet R. seine Themenwahl für den Unterricht.

Er selbst überliefert folgende Szene, ein Pendelexperiment: "Eine Schülerin möchte mich testen: Wann habe ich mit Leichtathletik angefangen? Mein Pendelergebnis stimmt. Auch das Bestimmen des IQ interessiert die Schüler. Ich sag, man könne auch auspendeln, wer mit welchem Partner den höchsten Harmoniegrad in der Beziehung erreichen könnte, oder wer auf das andere Geschlecht die größte Anziehungskraft ausübt. Superstimmung. Alle fordern, dies zu ermitteln. Ich gebe nach. Das Pendel zeigt auf die Schülerin J. Z."

Einmal schleudert R. aus Jähzorn einen Stuhl nach einem Schüler. Die Schulleitung nutzt die Gelegenheit, um sich von ihm zu trennen. Auch der Gemeindekirchenrat von Sankt Albanus überwirft sich mit R. wegen dessen eigenmächtigen Entscheidungen. Der damalige Superintendent Klaus Stange schätzt R. sehr. 1997 empfiehlt er der Kirchenleitung, dessen Vertrag zu verlängern. Anfang 2000 fällt Schkeuditz in den Bereich der Superintendentur Torgau-Delitzsch. "Bei R. war immer was nicht in Ordnung", sagt R.s neuer Superintendent Stawenow. "Meistens ging es ums Geld." Stawenow empfiehlt der Kirchenleitung, R.s Vertrag nicht mehr zu verlängern.

Später im Prozess gegen R. wird Doreen W. die Hauptbelastungszeugin. Als sie der Jungen Gemeinde beitritt, ist sie gerade 16. Sie will dem inneren Kreis angehören. Sie fährt mit R. Motorrad. R. sagt, er finde es schön, ihre Brüste auf seinem Rücken zu spüren. Sie fährt mit ihm im Auto. R. fragt, ob er zwischen ihre Beine fassen darf. Sie ist im Pfarrhaus. R. fragt, ob er sie nackt filmen darf. Seil hüpfend. Für 100 Mark. Doreen tut es nicht. Sie wendet sich von der Jungen Gemeinde ab.

Niemanden aus der Jungen Gemeinde stört R.s Gebaren. Nicht einmal seine Frau. "Ich würde meine Hand dafür ins Feuer halten, dass das Verhältnis zwischen Doreen und Pfarrer R. freundschaftlich war", sagt Katrin K., "und als Doreen es R. sagte, war das ja auch beendet. So wie das Thema jetzt in der Öffentlichkeit behandelt wird, ist es natürlich eine große Bürde für sie."

R. sagt, er sei Sexologe. Im pfarrhäuslichen Schlafzimmer befreit er die Sexualchakren seiner ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen. Was er dabei tut, bleibt offen. Klar ist: R. spricht gern über seine Bedürfnisse als Mann. Und er behauptet, er habe stets das einzige für ihn bindende Gebot der Nächstenliebe geachtet.

Und dann ist da noch Jörg D., der den Prozess gegen R. ins Rollen bringt. Seine damalige Freundin ist Mitglied der Jungen Gemeinde und nimmt ihn öfter mit. Über Jörg teilen sich die Meinungen. R.s Anhänger glauben, Jörg spinne eine Intrige. Alle anderen sagen, Jörg habe gemerkt, dass die Dinge aus dem Ruder laufen. Jemand zeigt R. anonym wegen Pädophilie an. Angeblich soll ihm Jörg zuvor eine Internetseite mit Kinderpornos empfohlen haben. Die Polizei findet nichts auf R.s Computer.

Jörg erfährt, dass sich Superintendent Christian Stawenow gegen den Pfarrer stellt. Er überredet Doreen W., ihre Erlebnisse mit R. vor Stawenow auszubreiten. Der ist entsetzt über das, was er erfährt. Er fordert Doreen auf, sofort Anzeige zu erstatten. Eine Woche später stürmt die Polizei das Pfarrhaus. Von Jörg erhält sie den Hinweis auf einen Tresor mit selbst gedrehten Videos. "Seventeen", "Tolle Ficks", "Merde" oder "Hund, Pferd, Esel, Kuh, Huhn" steht auf den Kassetten. "Widerlich" sei der Inhalt der beschlagnahmten Streifen, sagt der Staatsanwalt. Gesetzeswidrig sei er nicht. Ab 14. Juni 2001 ermittelt die Staatsanwaltschaft Leipzig gegen R.. Am selben Tag beurlaubt ihn Stawenow. Zwölf Tage darauf verlängert das Konsistorium die Beurlaubung. Seitdem ist R. westfälischer Pfarrer im Wartestand mit gekürzten Bezügen.

Rückblickend dämmert manchem aus der Gemeinde, warum die Kinder gelegentlich fragten: Ist das in Ordnung, dass der Pfarrer mit den Mädchen in die Sauna geht? "Man hat nichts unternommen", sagt ein Schkeuditzer Gemeindemitglied selbstkritisch, "es gab auch keinen konkreten Verdacht. Nur so ein diffuses Unbehagen. Aber man wollte ja nicht unmodern sein." ­ "Die zuständigen Kirchen hätten erkennen müssen, dass die Vorgänge in der Schkeuditzer Gemeinde nicht mit der üblichen kirchlichen Arbeit übereinstimmen", mahnt Richterin Petra Wendtland.

Wie also wurde aus dem Westfalen, der einst mit viel Elan seinen Pfarrdienst in Gelsenkirchen antrat, der "Sexpfarrer von Schkeuditz" (so der MDR über R.)? Da sei ein Bruch in R.s Biographie, meint Hans-Detlef Hoffmann, westfälischer Vizepräsident und R.s Personalchef. Der Brückenschlag zwischen dem R. der achtziger Jahre in Gelsenkirchen und dem R. der neunziger in Schkeuditz gelinge nicht. "Da ist kein Bruch in der Biographie, sondern eine Entwicklung", meint Christian Stawenow, R.s Superintendent in der Kirchenprovinz Sachsen. "R. möchte was Großes sein. Er hat ein hohes Sendungsbewusstsein. Das ist allmählich gewachsen."

"Institut für Radioästhesie und Gesundheitsberatung" steht auf dem gelb gestrichenen Häuschen an der Bornaischen Straße im Leipziger Süden. Dahinter ein Garagenhof, ein Schäferhund läuft an einer quer gespannten Leine. Hinten weiden Pferde auf einer Wiese. Sollte die Disziplinarkammer der westfälischen Kirche entscheiden, dass Harry R. nicht mehr Pfarrer sein darf, wird R. sich hier als Therapeut und Sexologe niederlassen.

Vor Prozessbeginn empfängt der Angeklagte den Reporter. Wortkarg reicht der Mann mit Glatze und kurz geschorenem Bart seine kräftige Hand und fixiert prüfend die Augen seines Gegenübers. Ein enger Flur, Bücherregale, eine Meditationsecke, überm Küchentisch das Bild einer Frau, die sich in den Slip zwischen die Beine greift. Darunter steht: God is a girl.

Der Besucher tritt ein. R.s Frau huscht hinaus. R. kommt schnell zur Sache, sagt aber nur, was auch anderswo über ihn zu erfahren ist. Er fordert Wahrhaftigkeit ein. Er beklagt überkommene Moralvorstellungen: Weil Pastoren fremdgehen, ist für ihn die Ehe kein schlüssiges theologisches Konzept mehr. Weil Pfarrer onanieren, sollen sie auch darüber sprechen.

Wenige Tage später verbietet R. dem Reporter, Zitate aus diesem Gespräch zu verwenden. Begründung: Der Reporter habe bezweifelt, dass seine, R.s, Ansicht die einzig objektive sei.

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
Wählen Sie bitte aus den Symbolen die/den/das Flugzeug aus.
Mit dieser Aufforderung versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt.