Foto: Sophie Stieger
Farbe bekennen
Fulbert Steffensky, Theologe am Vierwaldstättersee in Luzern fotografiert.Sophie Stieger
15.05.2013
Trinitatis - Tag der heiligen Dreifaltigkeit
1. Sonntag nach
Jesus ging in alle Städte und Dörfer, lehrte in den Synagogen, predigte das Evangelium vom Reich und heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen. Und als er die Menge sah, hatte er Erbarmen mit ihnen allen; denn sie waren verschmachtet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben. Da sprach er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es sind nur wenige Arbeiter da . . .
Matthäus 9,35-38

Ein ganz normaler Abend auf dem Hamburger Hauptbahnhof: Ein Ort voller Selbstdarsteller, voll von Missionaren. Jugendliche, stilisiert als die große Gruppe der Antigesellschaft, gepierct, fantastisch bekleidet, mit einer eigenen Sprache, eigenen Verhaltensformen und Parolen. Dann die Leute von der Heilsarmee in ihren Uniformen. Die Damen in Leder und die jungen Erfolgreichen mit Krawatte und Handy. Alle sagen, wer sie sind und wer sie sein wollen. Sie werben für ihre Idee.

So lange Menschen etwas wollen, etwas lieben, Leidenschaften und Interessen haben, so lange stellen sie sich dar und führen sich auf. Farbe bekennen, sich zeigen, sich nicht verschweigen ist ein Grundbedürfnis. Man wird der, als der man sich zeigt. Man befestigt seine Absichten, indem man sie vorzeigt. Wer glaubt, wirbt für seinen Glauben. Er will missionieren.

Mission ist die gewaltlose und ressentimentlose Werbung für die Schönheit eines Lebenskonzepts. Ich werbe für den Glauben, indem ich ihn lebe und indem ich ihn erkläre. Eine andere Werbung gibt es nicht. Wenn ich etwas liebe, wenn ich an etwas glaube, dann liegt es im Wesen dieser Liebe und dieses Glaubens, dass ich sie öffentlich zeige.

Eine sich verbergende Liebe ist auf Dauer keine Liebe. Man gibt sich selbst ein Gesicht, man identifiziert sich und erfährt, wer man ist, indem man zeigt, wer man ist, zu welchen Texten und Traditionen man sich bekennt.
Mission heißt nicht, darauf aus sein, dass alle anderen unseren eigenen Glaubensweg gehen. Es gibt andere Wege des Geistes und andere Dialekte der Hoffnung als unsere eigenen. Das muss ich ohne Ressentiment zugeben können, obwohl die Einsicht, dass man nicht einzigartig ist, nicht ganz leicht ist. Wir also als Christen haben es nötig, dass wir öffentlich werden; dass dieses Christentum nicht in seinem Winkel bleibt, weil wir nur behalten, klar erkennen und uns wirklich aneignen, was wir zeigen. Die anderen Religionen haben es nötig, dass wir uns zeigen; denn sie werden sich selber deutlich und gewinnen Kontur an der fremden Kontur, wie wir Kontur gewinnen an der Wahrnehmung der anderen. Missionieren heißt, zeigen, was man liebt und woran man glaubt.

An Missionen werden die Fenster aufgestoßen und die Horizonte der Kirche geöffnet

Missionieren heißt heilen. Jesus kündigt das Reich Gottes an. Er tut es nicht nur mit folgenlosen Worten, er heilt „alle Krankheiten und alle Gebrechen“. Jesus lehrt und heilt – die beiden Arten seiner Mission. Die Predigt allein, Worte und Versprechen allein wecken noch keine Hoffnung. Darum die Notwendigkeit der anderen Art der Predigt, des Dienstes (griechisch: Diakonia) mit den großen Zeichen: Die Trauergeister werden ausgetrieben, die Hungernden bekommen Brot und die Gequälten ihren Anwalt. 

Mission heißt, niemanden im Stich lassen, nicht im eigenen Land und nicht in fremden Ländern. Diesem Auftrag Jesu folgen unsere Missionswerke. Sie stoßen die Türen auf zu fremdem Reichtum und fremdem Elend. „Horizonte öffnen!“ ist das Motto des Hamburger Missionswerkes. Das heißt nicht nur, andere Lebensauffassungen und Glaubenswege wahrnehmen. Es heißt auch, die anderen nicht im Stich lassen.

Die Missionen sind die Stellen, an denen die Fenster aufgestoßen und die Horizonte der Kirche geöffnet werden. So nehmen wir mehr wahr als uns selbst. Wir nehmen El Salvador wahr, Namibia und die Philippinen. Schön, eine Kirche, die nicht nur in sich selber gefangen ist und deren Horizont sich nicht begrenzt auf Hamburg-
Altona und auf Köln-Deutz. Das nimmt uns die provinzielle Enge, und es lässt uns in mehr beheimatet sein als in der Dumpfheit des eigenen Ortes.

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