Tillmann Franzen
Was ich mir wünsche
Der neue Papst Franziskus weckt Hoffnungen. Zum Beispiel auf mehr ökumenische Gemeinsamkeit mit den Protestanten
Foto: Tillmann Franzen
16.04.2013

Die Wahl des argentinischen Kardinals Jorge Mario Bergoglio zum Papst fand weltweit größte Aufmerksamkeit und war begleitet von riesigem Jubel. „Das hat was“ und gleichzeitig „Das ist nicht meins“ –  ­waren meine spontanen Gefühle beim Betrachten der Fernsehbilder. Fasziniert und gleichzeitig befremdet habe ich die Wahl und die Inthronisation des neuen Papstes Franziskus in den Medien verfolgt.

Wenige Wochen nach seinem Amtsantritt bin ich mit Papst Franziskus in Rom zusammengetroffen. Die Begegnung mit ihm war überaus herzlich und hat in mir die Hoffnung geweckt, dass einiges in ökumenischer Gemeinsamkeit möglich ist – auch im Hinblick auf das Reformationsjubiläum 2017.

Hat der Papst eine besondere Stellung gegenüber anderen Bischöfen und Pfarrern?

Meine Skepsis gegenüber dem Papstamt bleibt jedoch bestehen. Schon Philipp Melanchthon, Vertrauter und Professorenkollege von Martin Luther in Wittenberg, bestritt im 16. Jahrhundert, dass sich aus der Bibel für den Papst als Nachfolger Petri eine besondere Stellung gegenüber anderen Bischöfen und Pfarrern ableiten lasse. Melanchthon argumentierte so: „Und wenn gesagt wird: ‚Weide meine Schafe‘ ­(Johannesevangelium 21,17), ferner: ­‚Liebst du mich mehr als diese?‘ (Johannesevangelium 21,15), so folgt daraus noch nicht, dass dem Petrus eine besondere Oberherrschaft gegeben sei. Er befiehlt nämlich zu weiden, das ist: das Wort predigen und die Kirche mit dem Wort leiten, was dem Petrus gemeinsam mit den übrigen Apos­teln zukommt.“

Protestantinnen und Protestanten akzeptieren den Anspruch des Papstes nicht, er habe das letzte Wort über Glaubenswahrheiten, ethische Grundsatzentscheidungen und kirchenrechtliche Urteile.  Und reformatorisch geprägte Menschen befremdet auch: Der Papst ist das Oberhaupt eines Staates. Dass Kirche aber keine „staatliche Art“ hat, ist für unsere Kirche in der fünften These der Barmer Theologischen Erklärung aus dem Jahr 1934 verbindlich formuliert.

Wir suchen das Gespräch mit den römisch-katholischen Kirche

Unsere römisch-katholische Schwesterkirche denkt theologisch anders über das Amt des Papstes. Das haben wir zu respektieren in der Gewissheit, dass wir bei aller Verschiedenheit als Kirche Jesu Christi zusammengehören. Und wir suchen gern das geschwisterliche Gespräch mit den Amtsinhabern.

Der neue Papst hat sich den Namen Franziskus gegeben. Das war überraschend und weckt auch bei evangelischen Chris­tinnen und Christen die Hoffnung auf neue Aufbrüche. Der Name Franziskus, übernommen von Franz von Assisi, der mit anderen den Armutsorden der Franziskaner gründete (um das Jahr 1209), steht für eine Skepsis gegenüber Prunk und Reichtum, für bescheidenes Auftreten, für die Perspektive der Armen, für das Teilen materieller Güter bei der Suche nach Frieden und sozialer Gerechtigkeit und nicht zuletzt für den Respekt gegenüber der Natur als Schöpfung Gottes.

Seine pastorale Haltung kann zu Neuaufbrüchen führen

Wie Papst Franziskus dieses Denken umsetzen wird, bleibt abzuwarten. Und ich bin gespannt, ob und wieweit er be­reit sein wird, während seiner Amtszeit die Frage der Gerechtigkeit etwa auf die Rolle der Frauen in der Kirche zu beziehen. Nach meinem Besuch habe ich den Eindruck gewonnen, dass ihn seine pas­torale Grundhaltung zu manchen Neuaufbrüchen leiten kann.

Ich hoffe und wünsche Papst Franziskus, dass es ihm gelingt, dies deutlich zu machen: Der Kirche geht es in erster Linie um eine Einladung an die Menschen, ihr Leben an Gottes Wort auszurichten und Jesus in seiner Menschennähe und Menschenliebe nachzufolgen.

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Warum wird immer wieder der Wunsch nach mehr ökumenischer Gemeinsamkeit („Schneider: Was ich mir wünsche, Chrismon, 5, 2013“) von den Kirchenoberen bei den Katholiken vorgetragen? Man weiß doch genau, dass ein Entgegenkommen der Katholischen Kirche unmöglich ist. Diese haben ja auch folgerichtig diesen Wunsch nie vorgetragen. Wahrscheinlich ist die von Herrn Claussen in derselben Nummer von Chrismon („Einheit lässt mich kalt“) geäußerte Meinung eher in Übereinstimmung mit der Mehrheit der Protestanten. Also Schluss damit.

 

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Franziskus als neuer Luther?

„Seine pastorale Haltung kann zu Neuaufbrüchen führen“.

Dieser Beitrag wurde im Mai 2013 geschrieben. Nun nehmen die Turbulenzen der letzten Papstwahl ungeahnte Formen an. Bisher haben sich die Kirchen in ihrem Machtverständnis in erster Linie auf das Geld und die Angst vor dem Jenseits gestützt. Grob formuliert. Die damit verbundenen religiösen und weltlichen Werte waren in erster Linie westlich geprägt. Mit dem neuen Papst, seiner Schmähung der verkrusteten Kurie, der Ernennung neuer asiatischer und afrikanischer Kardinäle ist nicht nur ein Personalwechsel verbunden. Mit den neuen Personen kommen auch neue Wertvorstellungen, die nicht mehr westlich dominiert sind. Auch in der katholischen Kirche hat damit die Werte-Globalisierung Einzug gehalten. In der evangelischen Kirche ist das durch die unsäglichen Zersplitterungen schon seit Jahrhunderten der Fall. Ein zurück der Kurie kann es nicht mehr geben. Wenn es Grabenkämpfe gibt, wenn ein neuer Papst gewählt werden muss, die Kugel der Reformation rollt. Niemand weis, wohin und mit welchen Konsequenzen. Auch die evangelische Kirche wird hiervon massiv betroffen sein.

Die Reformation war vor ca. 500 Jahren. Jede Organisation, davor ist auch kein Glaube, keine Kirche geschützt, bedarf unter neuen gesellschaftlichen Bedingungen der Reorganisation und der Erneuerung. Der Begriff „Neuaufbruch“ lässt in diesem Zusammenhang jeder Interpretation viel Raum. Auch Luther hat damals nicht gewusst, welche Konsequenzen drohten und welche Turbulenzen sich daraus entwickelten.

Auf jeden Fall, 500 Jahre sind genug des Stillstands. Wird Franziskus es selbst sein oder aus seinem Wirken ein neuer Luther kommen? Wir leben in einer spannenden Zeit.

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