Portrait Burghart Klaußner
c_10_19 Burghart Klaußner, © 2015 Dirk von Nayhauß Foto ist autorisiert.
Dirk von Nayhauß
Kunst statt Religion
Als Kind wollte Burghart Klaußner Pfarrer werden - doch dann wandte er sich vom Glauben ab.
Dirk von Nayhauß
29.09.2015
In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?
 
Beim Singen, das setzt alle Energien der Seele frei. Und beim Theaterspielen, wo die meisten Möglichkeiten zur Entfesselung in unserem Beruf bestehen. Bei Kino oder Fernsehen zählen dafür Konzentration und Vergrößerung. Hier fehlen das Publikum und  die dritte Dimension: der Raum. Wie auch immer diese Interaktion funktioniert – es ist klar, da gibt es eine Energie, die zwischen Publikum und Akteuren hin- und herfließt.
 
Haben Sie eine Vorstellung von Gott?
 
Als Kind, als Konfirmand, war ich sehr religiös und hatte einen guten Pfarrer in der evangelischen Kirche in Lochham bei ­München, Pfarrer Anton aus Königsberg. Ich wollte sogar selbst Pfarrer werden. Meine Religiosität wurde allerdings immer ­wieder von mir selbst dergestalt auf den Prüfstand gesetzt, dass ich Gott herausgefordert und um einen gefälligen Beweis seiner Existenz gebeten habe – der aber nicht eintrat. Daraufhin habe ich angenommen, dass es ihn nicht gibt und bin aus der Kirche ausgetreten, als ich Student wurde. Ob es Momente gibt, in denen ich dennoch so etwas wie die Nähe Gottes spüre? Nein, diese Zeiten sind für mich zum Glück vorbei. Meiner Meinung nach haben die Religionen zu viel Gewalt über die Welt gebracht. Die Kunst ersetzt mir die Religion. Kirchen sind ja ohnehin die reinsten Kunstkammern. Im Übrigen habe ich es ungern mit Unwägbarkeiten zu tun. Mir ist es lieber, statt konfrontiert und überwältigt zu werden, selber der Suchende, Findende und Gebende zu sein. 
 
Foto: Dirk von Nayhauß

Burghart Klaußner

Burghart Klaußner, geboren 1949, zählt zu den profiliertesten Schauspielern Deutschlands. Bekannt wurde er mit Rollen in ­„Good Bye, Lenin“, „Die fetten Jahre sind vorbei“ und „Das weiße Band“. Der gebürtige Berliner erhielt zweimal den Deutschen Filmpreis, außerdem den Goldenen Leoparden (Locarno) und den Deutschen Theaterpreis. Klaußner tourt auch als Sänger mit einer Swing-Band. Jetzt spielt er im Kinofilm „Der Staat gegen Fritz Bauer“ den Frankfurter Generalstaatsanwalt, der dem israelischen Geheimdienst half, Adolf Eichmann zu fassen. Burghart Klaußner hat zwei erwachsene Söhne und lebt mit seiner Frau in Hamburg und Berlin. 
 
Wie gehen Sie um mit der eigenen Wut?
 
Das Cholerische ist ein Lustprinzip, ganz klar – manchmal auf Kosten anderer. Und zu allen, die dies lesen und irgendwann mal von mir in die Ecke gedrängt worden sind, kann ich nur sagen: Es tut mir leid. Manchmal war Aggressivität freilich auch nützlich. Sie hat mir Ärger bereitet, aber sie hat mich auch vorwärtsgetrieben. Man macht sich den Weg frei, kann sich wehren, man lässt sich nichts gefallen. Danach kommt unter Umständen die Reue, aber Leidenschaftlichkeit in unserem Beruf, wie auch in der Poli­tik, ist unverzichtbar. Diese ständige Moderation ist langweilig.
 
Wie gehen Sie mit Schuldgefühlen um?
 
Ich versuche, möglichst rational den Anteil der tatsächlichen Schuld zu erkunden und erkenne immer öfter, dass es Schuld nicht gibt. Dass man zwar für sein Handeln Verantwortung zu übernehmen hat, die Kategorie Schuld meist jedoch erpresserisch eingesetzt wird. Neulich habe ich mit einer Psychoanalytikerin darüber gesprochen, und sie hat mir bestätigt, dass ein Großteil der Arbeit mit Patienten darin besteht, ihnen diese Kategorien abzugewöhnen. Es gibt natürlich ein sittliches Gesetz, an das ich mich absolut gebunden fühle: das Gesetz der Nächstenliebe. Und an das, was überraschenderweise im internationalen Seerecht verankert ist: das Recht des Schwächeren. Bis in kleinste Verästelungen ist dies dort festgesetzt. Alles Schwache, Kleine ist schützenswert. Als Credo einer Gesellschaft scheint dieser Satz freilich vergessen, wenn neonazistische Primitivbanden wieder ungestraft der Gewalt frönen können.
 
Was bedeutet Ihnen Ihr Beruf?
 
Das Verlassen der eigenen Existenz ist ein Jungbrunnen und erfrischend, es ist der ideale Beruf für mich. Ich kann es einfach nicht fassen, dass es keine zwei Menschen gibt, die gleich sind. Das ist ein Fundus des größten Glücks und der größten Möglichkeiten für mich als Schauspieler. Ich kann – wie sagte meine Mutter immer: besoffen vor Glück – Stunde um Stunde darüber philosophieren.
 
In Ihrem neuen Film spielen Sie Fritz Bauer, der die ersten ­Auschwitz-Prozesse ermöglicht hat.
 
Er war ein sehr mutiger Mann, und für mich ist er einer der ­wenigen Helden der Nachkriegsgeschichte. Als ich ein Kind war, sprach man nicht über die Nazizeit, selbst in der eigenen Familie ­nicht. Es war ein Tabu. Während der Dreharbeiten in Israel hatte 
ich endlich Gelegenheit, die Gedenkstätte Yad Vashem zu be­suchen und dort die Ausstellung zu sehen, unter anderem mit einem Turm voller Akten aller bekannten Ermordeten. Dort ­wieder, nach all den Jahren, überfielen mich Trauer und Scham und ich war froh, mit der Erinnerung an Fritz Bauer eine Art Abbitte leisten zu können.
 
Trailer zum Film: Der Staat gegen Fritz Bauer:
 
 

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