Neu Kleider aus alten Stoffen
"Bis es mir vom Leibe fällt". So nennt Elisabeth Prantner ihren Laden in Berlin-Schöneberg, wo sie Altkleider zu Mode umnäht und verkauft
20.08.2015

 

 Monika Keiler

chrismon: Wie kamen Sie darauf,Kleidung aufzuwerten?

Elisabeth Prantner: Ich habe mich viele Jahre damit beschäftigt, was in der Textilbranche falsch läuft. Durch den Baumwollanbau sind die Böden ausgedörrt. Die Arbeiter leiden unter den Produktionsbedingungen. Und es wird viel weggeworfen, die Müllberge häufen sich. Dagegen musste ich etwas unternehmen.

Die Leute wollen eben nicht so viel Geld für Kleidung ausgeben!

Ja, die Leute sind inzwischen durch den Billigwahnsinn verwöhnt. Sie können sich heute nicht mehr vorstellen, dass ein Shirt mehr als vier Euro kostet. Mich ärgert, dass die Politik diese Entwicklung begünstigt. Als ich jung war, habe ich ein Jahr sparen müssen, um mir einen Mantel zu kaufen. Fair und qualitativ hochwertig produzierte Kleidung ist auch heute für die meisten unerschwinglich. Nur: Wie viele teure Klamotten gibt es noch im Vergleich zu billigen?

Nicht viele, vermutlich.

Heute kommt fast alles aus Ländern mit unfairen Arbeitsbedingungen. In Europa ist die Textilindustrie zerstört.

"Wahnsinn der Textilindustrie"

Woher kommen die Stoffe, aus denen Sie Ihre Kleider machen?

Zuerst wusste ich auch nicht, wo ich sie herbekommen soll. Also experimentieren meine acht Mitarbeiterinnen und ich damit, neue Stoffe aus alten zu erzeugen. Das schont ja auch Ressourcen. Es ist aber sehr zeitaufwendig.

Hat das Atelier Ihr eigenes Konsumverhalten geändert?

Mich hat großer Konsum noch nie wirklich interessiert. Aber jetzt werfe ich zu Hause praktisch nichts mehr weg. Mein Mann und ich haben uns angewöhnt,alles umbauen und reparieren zu lassen, auch Möbel.

Und das verändert die Welt?

Die 3000 Menschen, die bisher ihre Kleidung zu uns gebracht haben, denken über den Wahnsinn in der Textilindustrie nach. Und sie leisten ihren kleinen Beitrag für eine Verbesserung, mehr geht sowieso nicht. Aber wenn man anfängt,Klamotten aufzuwerten, macht man das auch mit anderen Sachen. Eigentlich müsste es alle Kunden mehr interessieren,wie es den Menschen geht, die Kleidung für die großen Ketten herstellen. Und sie sollten sich klarmachen: Wer ein Kleidungsstück dort kauft, kann da auch nichts verändern. Geht was kaputt, sagt der Konzern nur: Kauf was Neues.

Wie lassen sich denn noch mehr Menschen für Ihre Ziele erreichen?

Dafür müsste man schon in Schulen und Kindergärten anfangen. Kinder sind sensibel. Wenn sie wüssten, unter welchen Bedingungen ihr Shirt hergestellt wird, hätten sie keine Lust mehr, es zu tragen. Dann muss man ihnen aber beibringen,wie sie Sachen selbst verändern.

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