Illustration: Marco Wagner
Sie kämpfte für die Freiheit
Sie war eine frühe Europäerin, eine junge Wutbürgerin. "Noch rabiater als ich", schrieb ihr Verlobter
Portrait Anne Buhrfeind, chrismon stellvertretende ChefredakteurinLena Uphoff
13.05.2011

Alter: 30 bis 34 Jahre. Größe: mitt­lere. Haare: blond. Gesichtsform: oval. Gesichtsfarbe: blühend. Stirne: hoch. Augen: schwarzbraun. Nase: gebogen. Mund: klein. Zähne: ganz gut. Kinn: spitz. Sie spricht den Berliner Dialekt.“
Mit dieser Personenbeschreibung fahndete das Großherzoglich Badische Untersuchungsgericht im Juli 1848 nach Emma Herwegh, Ehefrau des Literaten Georg Herwegh, „wegen Theilnahme an hoch­verrätherischen Handlungen“.

Ein Vorwurf, über den die Gesuchte sicher herzlich gelacht hat. Tatsächlich hatte sie die Revolution nach Deutschland tragen, sie hatte mit einer Legion von Exildeutschen aus Paris den Aufstand Friedrich Heckers in Baden unterstützen wollen. Der hatte gezögert – den Hilfsrevolutionären aus Paris eilte kein guter Ruf voraus. Emma Herwegh, als Kundschafterin geschickt, suchte Hecker zu überzeugen: „Wollt ihr wirklich nichts als eine badische Republik, so mögt ihr uns getrost ausschließen, denn welcher Mensch kann sich heutiges Tags dafür interessieren. Wollt ihr aber die Republik für ganz Deutschland, womöglich für ganz Europa – mit welchem Recht zögert ihr da, die Mitwirkung Euerer Brüder laut zu begehren?“

Das Unternehmen ging nicht gut aus, bei Dossenbach im Schwarzwald wurde die übermüdete Legion von württembergischen Truppen aufgerieben. Da war Heckers Aufstand schon niedergeschlagen, die ganze Revolution, die Barrikadenbauerei in Berlin – vorbei, erledigt. Die Reaktion war längst auf dem Vormarsch, Deutschland hatte sich als noch nicht reif erwiesen für Einigkeit und Recht und Freiheit.
Und doch gab es Demokraten, Liberale, Republikaner, vorsichtige und furiose, Männer und Frauen.

Heiraten? Höchstens einen Freiheitskämpfer

Bettina von Arnim zum Beispiel – sie gehörte zu den Behutsameren. Sie hatte Briefe an den preußischen König geschrieben, in der Hoffnung, er werde sich beeinflussen lassen von einer berühmten Schriftstellerin.

Emma Herwegh hingegen stand praktisch schon immer auf den Barrikaden. Die Tochter eines wohlhabenden Berliner Seidenhändlers, gebildet, musikalisch, konnte mit den Kreisen, in die sie im Jahre 1817 hineingeboren war, wenig anfangen. Zwar schrieb sie Gedichte und spielte Klavier, aber im Grunde interessierte sie sich mehr für die politischen Gefangenen in Moabit und die Elendsviertel ihrer Stadt. Beim Bogen­schießen im Park soll die junge Wutbürgerin gern mal auf Bilder des Königs oder des Zaren gezielt haben. Heiraten? Höchstens einen Freiheitskämpfer.
Und den fand sie, wenn auch erst einmal nur auf Papier. Die „Gedichte eines Lebendigen“ machten 1841 in Deutschland Furore, so sehr wie kein anderes Werk seit Schillers „Räubern“. Das waren Verse nach ihrem Geschmack: „Und wo es noch Tyrannen gibt, die lasst uns keck erfassen! Wir haben lang genug geliebt, wir wollen endlich hassen!“ Als sie das las, soll sie ausgerufen haben: „Das ist die Antwort auf meine Seele!“

Als sich Herwegh und Emma trafen, auf ihre Initiative, entflammten sie sofort füreinander, waren nach einer Woche verlobt. „Das Mädchen“, schrieb der Dichter begeistert an seine Freunde, „ist noch rabiater als ich und ein ­Republikaner der ersten Sorte.“ 

Emma Herwegh war keine Mitläuferin. Sie ging voran

Und dann wurde Georg Herwegh ausgewiesen. Aus Preußen, aus Sachsen, aus Süddeutschland. Emma heiratete ihn, folgte ihm. Sie zogen erst in die Schweiz, dann nach Paris. Emma Herwegh war keine Mitläuferin, sie ging voran, sie gehörte zu den Frauen, die „Nicht Magd mit den Knechten“ sein wollten – so hat Michail Krausnick seine biografische Skizze über sie genannt. Nach dem Revolutionsabenteuer lebten sie in Genf, in Zürich. Gottfried Keller, Wagner, Lassalle und die Gräfin Hatzfeldt waren dort Gäste in ihrem Salon. Auch der Schriftsteller Alexander Herzen und seine schöne Frau Natalie. Die Herweghs trennten sich, weil Georg, die „eiserne Lerche“ der Revolution, die Freiheit nicht nur politisch verstand und eine skandalöse Liebe zu viert dramatisch scheiterte. Aber sie fanden sich wieder. 

Emma, die nach 1848 von ihrer Familie enterbt worden war, schrieb dann noch viele Bettelbriefe, um ihren Dichter zu ernähren. Er starb 1875. Sie lebte 29 Jahre länger, in Paris. Beerdigt aber wurde auch sie in der Schweiz, „in freier Erde“.

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Die Radikalität von Emma Herwegh entspricht doch, in die heutige Zeit übertragen, der von Al Kaida-Anhängern. Sie schreiben, dass sie von dem Spruch "Wir haben lange genug geliebt, wir wollen endlich hassen" so fasziniert war. Ich frage mich nur, was hat das mit Christentum zu tun. Worin also soll die Vorbildfunktion von Emma Herwegh liegen?
Viele Grüße: Gottfried Reiß
 

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Die Radikalität von Emma Herwegh entspricht doch, in die heutige Zeit übertragen, der von Al Kaida-Anhängern. Sie schreiben, dass sie von dem Spruch "Wir haben lange genug geliebt, wir wollen endlich hassen" so fasziniert war. Ich frage mich nur, was hat das mit Christentum zu tun. Worin also soll die Vorbildfunktion von Emma Herwegh liegen?
Viele Grüße

Gottfried Reiß

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