Mit dem Schlimmsten rechnen:
Der Schauspieler und Kabarettist über seinen abgründigen Humor und den Glauben, den er gerne hätte
Dirk von Nayhauß
07.10.2010

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Wenn ich mit anderen Menschen zusammen bin. Ist das an der frischen Luft, noch einen Tick mehr. Lasse ich die anderen Menschen weg, sind Erlebnisse, die mit Kunst zu tun haben, im Rennen vorne dabei. Gerade Musik kann mir sehr schöne Momente schenken, manche Stellen bei Schubert, Schumann oder Beethoven, auch bestimmte Mozart-Arien. Musik ist sehr gut dazu geeignet, die Existenz pur zu empfinden, als würde man das Traurige und das Schöne losgelöst von jedem kausalen Zusammenhang erleben. Auf der Bühne fühle ich mich nicht so lebendig, das ist ja ein Prozess, wo man nicht ganz frei ist, da spiele ich mir zwei Stunden einen Ast ab, damit mich am Ende alle mögen.

An welchen Gott glauben Sie?

Der Glaube ist eine angenehme Art von Heimat. Man weiß, alles ist an seinem Platz; man weiß, wo oben und unten ist und wie alles gemeint ist im Leben. Doch ich fürchte, dass ich an keinen Gott glaube. Ich hätte gerne diesen Glauben, wie ich ihn als Kind empfunden habe, der war sehr schön, doch der ging mit 13, 14 Jahren zu Ende. Ich kenne die Kirche recht gut, ich war neun Jahre lang auf dem Klosterinternat Melk. Die Atmosphäre dort war in den siebziger Jahren eine sehr liberale. Wir haben im Religionsunterricht ständig Camus und Sartre gelesen, und der Zweifel an sich wurde auch in religiöser Hinsicht sehr hoch eingeschätzt: Wenn man stark zweifelt, setzt man sich zumindest intensiv auseinander. Dass Kinder geschlagen wurden oder gar missbraucht, das gab es dort nicht. Im Grunde müsste die katholische Kirche heute das tun, was ihr schon Martin Luther empfohlen hat. Der lag in allem genau richtig, da ist alles drinnen, um den Missbrauchsskandal zu verhindern. Die Kirche müsste den Zölibat aufheben, Priester sollten heiraten dürfen, Sexualität sollte nicht nur als Mittel der Fortpflanzung gelten. Trotz aller Kritik bin ich noch Mitglied dieses Vereins, zähneknirschend, doch ich habe noch immer eine tiefe Verbindung zu einigen sehr guten Leuten, die mich damals beeindruckt haben, Mönche wie Laien. Die drinnenstehen und sehr traurig sind und verzweifelt.

Warum ist Ihr Humor so schwarz und abgründig?

Mein Humor zielt manchmal in Richtung Schadenfreude, in Richtung Geschmacklosigkeit, in Richtung Abgrund. Aber mit der großen Hoffnung, dass - wenn man darüber einen Witz macht - es einen nicht erwischt. Es ist ein Humor, der ständig so tut, als würde er mit dem Schlimmsten rechnen, damit es nicht eintrifft. Ich vermute, mein Humor ist in meiner Kindheit entstanden. Damals hatte ich vom Aufstehen bis zum Abend Angst vor allem, was passieren könnte im Zusammenhang mit den anderen Schülern und Versagen in der Schule. Ich erinnere mich an diese Erleichterung, wenn im Schlafsaal das Licht abgedreht wurde und der Stress hörte auf, und ich hatte neun Stunden unter der Bettdecke, wo ich in Ruhe gelassen wurde.

Hat das Leben einen Sinn?

Viele Menschen haben Werte, die wie eine Karotte ganz nah vor ihrer Nase hängen - beruflicher Erfolg, Status, Schönheit, Jugend, diese Sachen. Es ist aber praktisch, noch etwas anderes in der Tasche zu haben, also Werte, die ein bisschen längerfristiger sind, weil man dann gewisse Schläge im Leben leichter entgegennehmen kann. Es geht einem zum Beispiel besser, wenn man für andere nützlich ist. Ein Bäcker, der ständig billiges, schlechtes Gebäck an seine Kunden verkauft, hat letztendlich ein nicht so schönes Leben wie ein Bäcker, der aus Überzeugung wertvolles Brot macht. Jetzt fragt man sich natürlich: Woher kommt es, dass bereits in der Schule vermittelt wird: Der Egoist kommt am weitesten! Das muss zu tun haben mit den Zeiten, wo die einen Affen auf dem einen Baum gesessen haben und die anderen Affen auf dem anderen Baum, und die Vorräte waren knapp. Dieses Programm läuft bei uns noch immer ab, besonders an den Börsen.

Muss man den Tod fürchten?

Das beschreibt Sokrates sehr schön in dieser Rede vor seinem Tod, in der er in etwa sagt: "Entweder treffe ich alle diese großen Philosophen der vorherigen Jahrhunderte und kann mit denen endlich reden, oder es ist ein langer Schlaf. Also warum sollte ich mich fürchten?" Der Gedanke an den Tod ist mir übrigens eine gute Entscheidungshilfe. Wenn es um etwas geht, denke ich immer: Angenommen, du stehst am Ende deines Lebens, wie hättest du gerne rückblickend, dass du entschieden hättest?

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